Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Testosteron wird von der Europäischen Arzneibehörde EMA auf kardiovaskuläre Sicherheit überprüft


Bochum, 3. Mai 2014:

Die EMA hat im April 2014 eine Überprüfung von Testosteron auf mögliche kardiovaskuläre Nebenwirkungen eingeleitet (1). Ein gleiches Verfahren war schon Ende Januar 2014 von der Amerikanischen Arzneibehörde FDA eröffnet worden (2). Anlass für die Evaluationen beider Behörden sind zwei Publikationen: 1. im Journal of the American Medical Association (JAMA) vom November 2013 (3) und 2. in PLoS One vom 29. Januar 2014 (4). Es wurden unter Testosterongabe vermehrt Herzinfarkte, Schlaganfälle und eine erhöhte Gesamtmortalität bzw. bei Männern ab dem 65. Lebensjahr sogar mehr als doppelt so viele Herzinfarkte beobachtet.

1.) In einer Observationsstudie von R.Vigen et al. (3) wurden >8000 Männer aus dem Veterans Affairs System zwischen 2005 und 2011 untersucht, die sich einer Koronarangiographie unterzogen hatten. Diejenigen, die Testosteron erhalten hatten, wiesen ein schlechteres Outcome (siehe oben) auf als die ohne Testosterongabe.

2.) W.D. Finkle et al. (4) überprüften in einer Kohortenstudie >55 000 Männer auf Herzinfarkt, und zwar 1 Jahr vor und 90 Tage nach Beginn einer Testosterongabe. Das relative Herzinfarktrisiko stieg bei Testosteronzufuhr für das gesamte Kollektiv um 36% (RR 1.36), für die Männer ab dem 65. Lebensjahr um mehr als das Doppelte (RR 2.19). Die gleiche Evaluation erfolgte auch für Phosphodiesterasehemmer Typ 5 (Sildefanil, Tadafanil): Für diese lag ab 65 Jahren das relative Risiko nur bei 1.15. Für Männer <65 Jahren fand sich eine Steigerung des Herzinfarktrisikos nur bei Patienten mit einer Vorgeschichte für eine koronare Herzerkrankung: RR unter Testosteron von 2.90. Hingegen betrug das RR nur 1.40 unter Phosphodiesterasehemmern. Kommentar

Diese Überprüfungen haben, insbesondere für die USA, aber auch für uns in Europa eine grosse Bedeutung: Wie im DGE- Blogbeitrag vom 22. Oktober 2013 berichtet (5), wurde in den USA die Verordnung von Testosteron ohne vorherige Spiegelmessung auf die „Choose Wisely“ – Liste der beiden US-amerikanischen Endokrinologen-Gesellschaften gesetzt. Von der FDA ist auch bei erniedrigtem Spiegel Testosteron nur bei gleichzeitigen Symptomen zugelassen. Deshalb erfolgte wohl in den USA eine „Low Testosterone“ -Marketing Kampagne durch die Herstellerfirmen mit dem Fokus, dass Müdigkeit, Nachlassen des Sexualtriebes und Energieverlust auch als „Symptome“ eines Hormonmangels zu werten seien. Vielfach wurde Testosteron sogar als „Quelle der Jugend“ angepriesen. Die U.S. National Institutes of Health /(NIH) fördern gegenwärtig das „Testosterone Trial in Older Men“ („T-Trial“): Die Zahl von knapp 800 rekrutierten Männern sei aber nach Aussage des Studienleiters Dr. Peter J. Snyder nur groß genug, um Vorteile, nicht aber Risiken der Testosterontherapie zu erkennen (6).

FDA und EMA betonen, dass gegenwärtig noch keine Aussage gemacht werden könne und Patienten und Ärzte eine laufende Testosterontherapie nicht abbrechen sollten.

Helmut Schatz

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Literatur

(1) S. Wood: Testosterone CVD safety review launched in Europe.
http://www.medscape.com/viewarticle/823507_print

(2) U.S.Food and Drug Administration: FDA evaluating risk of stroke, heart attack and death with FDA-approved testosterone products. Safety announcement.
http://www.fda/gov/Drugs/DrugSafety/ucm383904.htm

(3) Vigen et al.: Association of testosterone therapy with mortality, myocardial infarction, and stroke in men with low testosterone level.
JAMA 2013.319 (17) 1829-1836. DOI:101001/jama 2013.280386

(4) W.D. Finkle et al.: Increased risk of nonfatal myocardial infarction following testosterone therapy prescription in men.
PLoS One 2014; DOI:101371/journal.pone.0085805.t001. Article

(5) H. Schatz: Fünf Maßnahmen bei endokrinologischen Patienten hinterfragt.
Beitrag im DGE-Blog vom 22. Oktober 2013

(6) P.J. Snyder, in: S.Wood: Testosterone CVD safety review launched in Europe.
http:/www.medscape.com/viewarticle/823507_print

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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