Bochum, 11. März 2017:
Die National Institutes of Health (NIH) initiierten sieben doppelblinde, plazebokontrollierte Studien (1) über Testosterongabe bei Männern über 65 Jahre mit niedrigem Testosteronspiegel ohne andere erkennbare Ursache als das Alter (TTrials). Auf die Knochendichte zeigte sich eine günstige Wirkung (2) und Anämien ohne erkennbare Ursache besserten sich (3). Auf die Gedächtnisleisung, die Kognition fand sich kein Effekt (4), während das kardiovaskuläre (CV) Risiko, beurteilt am koronaren Plaque-Volumen unter Testosteron zunahm (5). In einer retrospektiven Kohortenstudie, die nicht zum TTrial-Programm gehörte, wurde hingegen an Männern von im Mittel 58 Jahren mit niedrigem Testosteronspiegel bei denjenigen, die Testosteron erhalten hatten, im Vergleich zu der Gruppe ohne Testosterongabe das CV Risiko vermindert gefunden (6).
Die sieben TTrials wurden 2004 vom Institute of Medicine (IOM, heute National Academy of Medicine) gefordert, auf Grund der spärlichen Resultate über die Auswirkungen von Testosteron an ältere Männer. Für Frauen läge die Womens Health Initiative (WHI) – Studie über die Östrogengabe nach der Menopause vor. Die NIH starteten darauf die TTrials über die kurzfristige Wirkung von Testosteron auf folgende 7 klinische Endpunkte: Sexuelle Funktion, körperliche Leistungsfähigkeit, Vitalität, Kognition, Knochengesundheit, Anämie und kardiovaskuläre Gesundheit. Die sieben Versuchsreihen beruhen auf Daten von insgesamt 790 Männern, die 65 Jahre und älter waren und einen niedrigen Testosteronspiegel ohne andere Ursache als das Alter hatten (rekrutiert über Millionen von Einladungsbriefen und >50 000 Telefoninterviews). Sie wurden in zwei Gruppen randomisiert, mit transdermalem Testosteron-Gel oder Plazebo, welches sie 12 Monate lang erhielten. Wie bereits früher publiziert, nahm die sexuelle Funktion mässig zu (relative Steigerung um 42% im Vergleich zur Ausgangslage, welche aber im Verlauf der Studie wieder abnahm), während die körperliche Funktionen und die Vitalität unverändert blieben.
Jetzt wurden im JAMA und im JAMA Internal Medicine die übrigen 4 Studienergebnisse publiziert (siehe oben).
David J. Handelsman schrieb dazu ein Editorial (7). Er meinte, die zwei positiven Ergebnisse zur Knochengesundheit und zur Anämie würden angesichts der CV-Daten nicht rechtfertigen, älteren Männern mit niedrigem Hormonspiegel Testosteron zuzuführen. Die anfängliche mässige Steigerung der sexuellen Funktion sei effektiver mit Phosphodiesterase-5-Hemmern zu erzielen. Auch für die Knochen stünden genügend wirksame Medikamente zur Verfügung. Er betonte auch , dass niedriges Testosteron etwa zufolge Übergewichts und anderer Komorbiditäten besser durch Lebensstilmassnahmen wie etwa Gewichtabnahme und körperliche Aktivität zu behandeln seien. Insgesamt forderte er, dass man in den Beipackzetteln mehr auf das kardiovaskuläre Risiko von Testosteron hinweisen solle (7). Von anderen Kommentatoren wird jedoch das Nutzen-Risiko-Profil von Testosteron bei Männern mit erniedrigtem Hormonspiegel günstiger gesehen (8).
Helmut Schatz
Literatur
(1) P. Snyder et al. for the Testosterone Trials Investigators: Effects of testosterone treatment in older men.
NEJM 2016. 374(7)611-624
(2) P. Snyder et al.: Effect of testosterone treatment on volumetric bone density and strength in older men with low testosterone: a controlled clinical trial.
JAMA Intern. Med. online. DOI: 10.1001/jamainternmed.2016.9539
(3) C.N. Roy et al.: Association of testosterone levels with anemia in men: a controlled clinical trial.
JAMA Intern.Med. DOI: 10.1001/jamainternmed.2016.9549
(4) S.M. Resnick et al.: Testosterone treatment and cognitive function in older men with low testosterone and age-associated memory impairment.
JAMA. DOI: 10.1001/jama.2016.21044
(5) M.J. Budoff et al.: Testosterone treatment and coronary artery plaque volume in older men with low testosterone.
JAMA. DOI: 10-1001/jama.2016.21043
(6) S. Jacobsen et al.: Association of testosterone replacement with cardiovascular outcomes among men with androgen deficiency.
JAMA Intern.Med. Feb. 2017 online
(7) D.J. Handelsman: Testosterone and male aging: Faltering hope for rejuvenation. Editorial.
JAMA February 2017, 317(7): 699-701
(8) M. Zitzmann: http://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4905820_print
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