Bochum, 18. Februar 2016:
Heute erscheint im New England Journal of Medicine die Publikation der ersten drei der sieben vom Institute of Medicine (IOM) 2003 initiierten und den National Institutes of Health (NIH) gesponserten Versuchsreihen über den Einfluß einer einjährigen Testosterongabe an ältere Männer mit niedrigem männlichen Hormonspiegel. Die Sexualfunktion (Libido, Koitusfrequenz) besserte sich in den ersten Monaten, während sich kein Einfluß auf die körperliche Aktivität (u.a. die gemessene Geh-Geschwindigkeit) und die Vitalität (FACIT-Fatigue – Scale) fand (1). Im begleitenden Editorial werden die sieben unabhängigen, doppelblinden, placebokontrollierten Versuchsreihen des NIH angeführt, welche den Effekt von Testosteron auf 1. Sexualfunktion, 2. Vitalität, 3. die körperlichen und 4. die kognitiven Funktionen, auf 5. Anämie, 6. Knochendichte und 7. das kardiovaskuäre System in prospektiv-ranomisierten, plazebokontrollierten Studien prüfen sollen (2).
Die Studienteilnehmer wurden sorgfältigst ausgesucht. Es bestanden sehr viele Ausschlußkriterien, etwa Prostata- oder kardiovaskuläre Erkrankungen einschließlich Hypertonus. Von 51 000 gescreenten Männern erfüllten nur 790 die Einschlußkriterien. Relativ wenige Männer hatten die geforderten niedrigen Testosteronspiegel, es fand sich nur bei ~15% ein Testosteron-Ausgangsspiegel unter 275 ng/dl (Mehrfachmessungen). Zusätzlich mussten Symptome vorliegen. Die Ergebnisse nach 1 Jahr zeigt die Abbildung.
Abbildungen 1, A,B,C aus NEJM 2016 (Snyder et al., Lit. 1).
Kommentar
Die Untersuchungen belegen, was Endokrinologen fordern: Testosteron nur dann geben, wenn dessen Blutspiegel unter dem Referenzbereich und auch Symptome vorliegen; es dürfen keine Kontraindikationen bestehen. Wie selten das bei älteren Männern vorkommt, kann man daran ersehen, dass von 51 000 Gescreenten nur 790 ( 1.5%) die (für diese Studien sehr strengen) Vorbedingungen erfüllten. Der Testosteronspiegel wurde mit AndroGel 1% in den mittleren Referenzbereich für 19 bis 45 jährige Männer angehoben. Der Effekt auf die sexuelle Aktivität war moderat und ließ nach anfänglich gutem Effekt gegen Ende der einjährigen Behandlung wieder nach (siehe Abbildung A, 12 Monate). Über Nebenwirkungen konnten aus diesen Studien bisher keine definitiven Schlüsse gezogen werden. Das Editorial zu der Arbeit (2) betont, dass Testosteron zwar einige Vorteile brachte, jedoch gezeigt hätte, dass es kein „Allheilmittel“ sei, als das es von manchen in den USA, aber auch bei uns fast angesehen wird. E.S.Orwoll, der Verfasser des Editorials vergleicht die Studien von ihrer Bedeutung her für die Männer-Gesundheit mit der Women´s Health Initiative (WHI) – Studie über die Östrogentherapie bei Frauen. Man darf mit großem Interesse die übrigen vier NIH-gesponserten Testosteronstudien abwarten, wobei die über das kardiovaskuläre System von besonderer Bedeutung sein werden. Vgl. dazu die zahlreichen DGE-Kurzbeiträge zum Thema Testosteron (3).
Helmut Schatz
Literatur
(1) P.J. Snyder et al.: Effect of testosterone treatment in older men.
New Engl J Med 2016. 374: 611-624
(2) E.S: Orwell: Establishing a framework – does testosterone supplementation help older men? (Editorial).
New Engl J Med 2016. 374: 682-683
(3) DGE-Blogbeiträge, Schlagwort “Testosteron”
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