Bochum, 20. Juni 2022:
So lautet der Titel des Editorials im LANCET von vorgestern: „Attitudes towards menopause: time for a change“ (1). Der Leitartikel kommentiert den Beitrag von Zoe Schaedel und Janice Ryder (2) über frei verkäufliches Östradiol zur vaginalen Gabe in Großbritannien (UK), wie es von der UK Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) vorgeschlagen wird (3). Rund um die Menopause gebe es ein Stigma, Missverständnisse, ungenügende öffentliche Wahrnehmung und Fehlkommunikationen. Ein Teil der Frauen spricht nicht über ihre Beschwerden und akzeptiert sie still als Teil eines normalen Alterungsprozesses, ein anderer wiederum betreibt Über-Medikation und meint, alle Beschwerden seien nur durch den Östrogenmangel bedingt, der dann systemisch behandelt wird.
Die Symptome umfassen die bekannten Hitzewallungen, unregelmäßige Periodenblutungen bzw. das Ausbleiben der Menstruation, Nachtschweiß, verminderte Libido, gedrückte Stimmung, Angst, Einschränkungen der Kognition oder auch Schlafprobleme. Etwa die Hälfte der Frauen spricht darüber nicht mit dem Hausarzt, bei einem Drittel wird die Diagnose erst nach mehreren Konsultationen gestellt. Nach den Erhebungen der im UK für die Menopause zuständigen Fawcett Society bekommen nur 39% eine Hormon(-Ersatz-)Therapie (HRT) mit systemischen Östrogenpräparaten, und 14% der menopausalen Frauen nehmen Hormone ein. Lange wäre die Menopause in vielen Gesellschaften negativ konnotiert gewesen, in anderen sei sie völlig ignoriert worden. Man sollte die Menopause aber nicht nur negativ sehen, sondern auch positiv, so als Freiheit von der Menstruation oder einer Kontrazeption.
Die weltweit vorherrschende Furcht vor einer Östrogentherapie in der Menopause beruhte im wesentlichen auf der Publikation der Women`s Health Initiative Study im Jahre 2002. Es hat einer Fülle von Daten gebraucht und Jahrzehnte gedauert, bis man zu dem Schluss kam, dass der Nutzen einer HRT grösser sei als deren Risiken (4,5). Die zuständige Behörde in UK, die MHRA hat jetzt die Zulassung von frei, d.h. ohne Rezept erhältlichem vaginalen Östrogen (Oestradiol Gina , 10 µg Vaginal-Tabletten) empfohlen (3). Das vaginale Östrogen wird kaum systemisch resorbiert und hilft beim urogenitalen Menopausensyndrom, an dem die überwiegende Zahl der postmenopausalen Frauen leidet: Vaginalatrophie, Irritationen, Dyspareunie, Blasenprobleme und Verlust der Sexualfunktion. Vaginale Östrogentabletten wirken hingegen nicht gegen oben geschilderte anderen Menopausensymptome. Frauen unter 50 Jahren, mit anamnestischen Thrombosen, Herzerkrankungen oder Schlaganfall werden es nicht erhalten können.
In der Laienpresse wird in UK irrigerweise berichtet, jetzt würde man „HRT frei verkäuflich“ erhalten können. Dies trifft nicht zu, denn unter „HRT“ wird eine systemische und keine vaginale Medikation verstanden, die aus Östrogenen mit oder ohne Progesteron besteht und multiple Symptome der Menopause behandelt, nicht nur das urogenitale Menopausensyndrom.
In Deutschland sind für das urogenitale Postmenopausensyndrom vaginale Östrogenpräparate, meist mit Östriol, rezeptpflichtig. Es werden dafür auch zahlreiche „Hormonfreie Präparate“ unter dem Stichwort „Es geht auch ohne Hormone“ angeboten: Diese enthalten Hyaluronsäure, Vitamin A, Vitamin E, Milchsäure, Polycarvbophil, Liposome, Hopfenextrakt, Hamameliswasser u.a. In Doppelblindstudien hatten sich diese in der Reduktion der Symptome als ähnlich wirksam erwiesen (6,7).
Helmut Schatz, Bochum
Literatur
(1) Editorial: Attitudes towards menopause: time for a change.
Lancet 399Junr 18, 2022. P. 2243
(2) Zoe Schaedel, Janice Rymer: Menopause care and over the counter vaginal oestradiol.
Lancet Vol. 299, published May 31, 2022. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(22)00952-7
(3) Medicines and Health Care products Regulatory Agency: Proposal to make Gina 10 microgram vaginal tablets (estradiol) available from pharmacies.
https:// www.gov.uk/goverment/consultations/consultation-on-proposal to-make gina-10-microgram vaginal-tablets-estradiol-available-from-pharmacies
(4) R.B. Natari et al.: Long term impact of the WHI studies on information-seeking and decision-making in menopause symptoms management: a longitudinal analysis and questions to a medicines call centre.
BMC Womens Health 2021. 21:348
(5) National Institute of Health and Care Excellence: Menopause: diagnosis and management. NICE guideline (NG23).
https://www.nice.org.uk/guidance/NG23
(6) A.M. Mitchell et al.: Efficacy of vaginal estradiol of vaginal moisturizer vs placebo for treating postmenopausal vulvovaginal symptoms: A randomized clinical trial.
JAMA Intern Med 2018; doi:10.1001/jamainternmed.2018.0.116
(7) A.J. Huang, D. Grady: Rethinking the approach to managing postmenopausal vulvovaginal symptoms.
JAMA Intern Med 2018. doi:10.1001/jamainternmed.2018.0094
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