Bochum, 24. März 2016:
Pamela C. Heaton et al. (1) untersuchten in einer retrospektiven Kohortenanalyse 13.5 Millionen Patienten aus dem U.S. Medical Expenditure Panel Survey der Jahre 1999-2010, die aus Typ-2-Diabetes-bezogenem Grund in Krankenhäuser aufgenommen worden waren. Sie differenzierten zwischen denjenigen, die als antihyperglykämische Monotherapie Sulfonylharnstoffe (SH) oder andere Medikamente (Biguanide, Thiazolidindione, Alphaglukosidasehemmer, Meglitinide, DPP-4-Hemmer u.a.) erhalten hatten. Abbildung 1 zeigt, dass innerhalb von 12 Monaten 23% der SU-Behandelten, aber nur 16% der anderweitig behandelten Patienten wieder hospitalisiert wurden. Ein weiterer Fokus der Untersuchung waren die dadurch entstandenen Kosten: Sie lagen bei den SH-Patienten 45% über denen unter anderen Monotherapien. Die fehlenden Daten über die Schwere und die Progression der Erkrankungen erlaubten es nicht, einen kausalen Zusammenhang herzustellen.
Abbildung 1: Stationäre Wiederaufnahme innerhalb von 1 Jahr. Schwarz: mit Sulfonylharnstoff-Monotherapie, grau: mit anderen antihyperglykämischen Monotherapien
Kommentar
Man möchte vermuten, dass die Ursache für die höhere Wiederaufnahmerate der SH-behandelten Patienten durch SH induzierte Hypoglykämien waren. Dies lässt sich aber zufolge der fehlenden Angaben dazu aus dieser Studie nicht belegen. Quilliam et al. berichteten 2011 (2), dass in einer Fall-Kontroll-Studie die Zahl Hypoglykämie-bedingter Krankenhausaufnahmen wegen Unterzuckerungen bei ständigem oder intermittierendem Gebrauch von SH doppelt so hoch war wie in der Gruppe, die keine SH verwendete. Im Unterschied dazu schloss jedoch die gleiche Arbeitsgruppe 1 Jahr später, bei Verwendung einer anderen Datenbank und einer anderen Methodologie, dass SH-Verwendung keine Vorhersage über Hypoglykämien als Ursache von Wiederaufnahmen in den Notfallabteilungen und bei ambulanten Patientenbesuchen gestattete (3).
Die seit langem heiß diskutierte Frage, ob Sulfonylharnstoffe nun obsolet oder gar gefährlich seien oder nicht, muss somit weiter offen bleiben. So wurde auf dem ADA-Kongress 2015 eine Metaanalyse von 47 randomisierten, Plazebo-kontrollierten Studien über mindestens 1 Jahr an 37.650 Patienten präsentiert (4). Diese ergab, dass die Gesamt- und die kardiovaskuläre Mortalität, Schlaganfälle und Myokardinfarkte unter Sulfonylharnstoffen nicht erhöht waren (siehe DGE-Blog vom 10. Juni 2015, Lit. 5).
Helmut Schatz
Literatur
(1) P.C. Heaton et al.: Sulfonylurea use and risk of hospital nreadmission in patients with type 2 diabetes.
Brit. Med. J. Endocr. Disord. 2016. 16(4)
(2) B.J. Quilliam et al.: Risk factors for hypoglycaemia-related hospitalization in patients with type 2 diabetes: a nested case-control study.
Clinical Therapeutics 2011. 33(11):1781-1791
(3) J.C. Simeone, B.J. Quilliam: Predictors of emergency department and outpatient visits for hypoglycemia in type 2 diabetes: an analysis of a large US administrative claims database.
Annals of Pharmacotherapy 2012. 46(2):157-168
(4) Michael O´Riordan: No mortality risk with sulfonylureas, meta-analysis shows.
http://www.medscape.com/viewarticle/846041_print
(5) H. Schatz: Neues vom 75. Kongress der Amerikanischen Diabetes-Assoziation (ADA), Boston, Juni 2015.
DGE-Blogbeitrag, 10. Juni 2015
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