Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Homosexualität ist keine Krankheit – Gesetzesentwurf für ein Verbot von „Konversionstherapien“


Bochum, 16. November 2019:

Im DGE-Blog wurde am 4. Oktober 2019 darüber berichtet, dass an etwa einer halben Million Menschen in einer genomweiten Assoziationsstudie kein einzelnes Gen für Homosexualität gefunden wurde. Es waren vielmehr mehrere Genloci  mit einer breiten Überlappung mit psychiatrischen Veränderungen. Die Genetik würde nach diesen Autoren zu weniger als 1% zu homosexuellem Verhalten beitagen (1). Jetzt liegt in der Bundesrepublik Deutschland ein Referentenentwurf für ein Gesetz vor, mit dem Gesundheitsminister Jens Spahn sogenannte Konversionstherapien bei Jugendlichen verbieten und unter Strafe stellen will. Er weist darauf hin, dass Homosexualität keine Krankheit sei, so dass der Begriff „Therapie“ auch nicht angewendet werden könne (2).

Bei dem Gesetz handelt sich um das „Sexuelle-Orientierung-und geschlechtliche-Identität-Schutz-Gesetz (SOGISchutzG). Konversionstherapien sind etwa Lichttherapien, indoktrinierende Gespräche,  Elektroschocks bis hin zu  Buß-Übungen und selbst zu Exorzismus. Konversionstherapien sollen bei Menschen unter 18 Jahren nicht nur nicht erfolgen, sondern auch gar nicht angeboten werden dürfen. Das Gesetz soll nicht für selbstbestimmte Menschen, also ab dem 18. Lebensjahr gelten, im Einzelfall nach Einschätzung des Behandlers auch nicht ab dem 16. Jahr. Das Verbot soll für alle einschließlich der Eltern Gültigkeit haben, auch Psychotherapeuten oder Seelsorger dürfen nicht versuchen, die sexuelle Orientierung ihrer Gesprächspartner zu  beeinflussen. Ihnen drohen Strafen mit Bußgeldern bis zu 30.000 Euro oder Gefängnis bis zu 1 Jahr.

Grundlage des Gesetzesentwurfes ist das Papier einer Fachkommission  der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld aus dem Frühjahr 2019 (3,4). Der Geschäftsführer der Stiftung,  Jörg Litwinschuh-Barthel  nennt für Deutschland eine Zahl von 1000 – 2000 Fällen pro Jahr, bei denen von Therapeuten, Ärzten, Psychotherapeuten, Heilpraktikern, Seelsorgern, Familienangehörigen oder auch gewerblichen Anbietern zur Unterdrückung oder Veränderung bei Homosexualität Behandlungen erfolgen, die fragwürdig oder  gesundheitsgefährlich sind. Diese „Therapien“ machten die Betroffenen nicht gesund, sondern könnten schweres körperliches und seelisches Leid zufügen. „Empirisch, sexualwissenschaftlich, soziologisch, psychologisch und medizinisch gibt es keine Hinweise darauf, dass Homosexualität eine Störung oder gar Krankheit ist“, so Prof. Peer Briken, Zentrum für Psychosoziale Medizin vom Klinikum Eppendorf der Universität Hamburg im Abschlußbericht  der Kommission.  Sexual Orientation Change Efforts (SOCE) hätten nach Briken keinen dauerhaften Erfolg, wenn es auch für SOCE keinen evidenzbasierten Beweis für negativen Folgen gebe. Es bestehen aber in Einzelfällen Hinweise auf negative Wirkungen wie Angst, Depressionen, Selbstmordneigung und Beziehungsprobleme (2). Nach Prof. Martin Burgi von der LMU-Universität München würden die Konversionstherapien vom Strafgesetzbuch nur teilweise erfasst, etwa durch die Tatbestände  von Körperverletzung, Betrug oder Beleidigung, nicht aber die massiven Verletzungen des Rechts auf sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung  bei Therapien (2).

Erhebliche Vorurteile gegenüber der Homosexualität bestünden,  so der Geschäftsführer der Magnus Hirschfeld-Stiftung,  vor allem von Seiten der Katholischen Kirche, von evangelikalen Gemeinden, in muslimischen Vereinen und in jüdisch-orthodoxen Gemeinden (2).  Die im Jahre 2011 gegründete Bundesstiftung, nach dem Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld benannt,  fördert Bildungs- und Forschungsprojekte, um einer Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, trans- und intergeschlechtlichen sowie queeren Personen (LSBTTIQ) in Deutschland entgegenzuwirken (3).

Am 9. November 2019 konnte man in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung lesen, dass jetzt in Bochum – als der bundesweit zweiten Stadt nach Dortmund – eine Straße nach dem 1908 in Bochum geborenen Hermann Hußmann benannt wird. Dieser war ein schwuler Bergmann, der 1943 nach dem  in der NS-Zeit noch verschärften  § 175  aus der Kaiserzeit wegen „Unzucht“ verurteilt wurde und als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher in Sicherheitsverwahrung genommen werden sollte.  Vorher erhängte er sich an seinem Hosenträger in der Untersuchungshaftanstalt (5).

Die Straßenbenennung mit Einsetzen eines Stolpersteines in den Gehsteig zeigt, welches Umdenken in Deutschland stattgefunden hat.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Helmut Schatz: Kein einzelnes Gen für Homosexualität.
DGE-Blogbeitrag vom 4. Oktober 2019

(2) Christian Beneker: „Homosexualität ist keine Krankheit“ – Spahn will Konversionstherapien verbieten.
https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4908370_print..

(3) Bundesstiftung Magnus Hirschfeld: https://mh-stiftung.de

(4) Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums Berlin vom 11. Juni 2019: Kommission legt Anforderungen für ein wirksames Verbot der sogenannten Konversionstherapien vor. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/Presse/Pressemitteil…

(5) Marie Illner: Stadt würdigt verfolgten Schwulen. Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), 9. November 2019

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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Eine Antwort auf Homosexualität ist keine Krankheit – Gesetzesentwurf für ein Verbot von „Konversionstherapien“

  1. Die Stadt Bochum hat am 20.12.2019 in vorbildlicher Weise Stellung bezogen gegen jede Art von Ausgrenzung. Die Benennung einer Straße nach einem von den Nationalsozialisten in den Tod getriebenen Bergmann, der homosexuell war, ist Ausdruck des Willens, staatliche Verfolgung von Homosexuellen zu ächten und drückt Wertschätzung aus für vergessene Opfer der NS-Zeit. Die Würdigung in dieser Form ist dauerhaft.

    Weitere Informationen zur Hermann-Hußmann-Straße finden sich auf:

    http://www.stolpersteine-homosexuelle.de

    Auch zahlreiche Presseberichte zu Hermann Hußmann (Bochum) sind online zu finden.

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