Warnung der Weltgesundheitsorganisation WHO – European Region (1)
Bochum, 16. Oktober 2024:
Die Einführung von jodiertem Salz ließ die Kröpfe und intrauterinen Beeinträchtigungen der Entwicklung und des Wachstums einschließlich des Gehirns in den Alpenregionen weitgehend verschwinden, ausgeprägt insbesondere in der Schweiz und Österreich, aber auch in vielen nicht-alpinen Regionen Deutschlands wie etwa dem Harz oder dem Vogelsberg in Hessen. Der Jodmangel entstand, weil die schmelzenden Gletscher der Eiszeit das Jod aus den Böden ausgewaschen hatten.
Die Jodversorgung kann durch Messung der Spiegel von Jod (in µg/L) und Kreatinin (in mg/dl) im Spontanurin beurteilt werden. Aus den gemessenen Ergebnissen kann man die tägliche Jodzufuhr (in µg/Tag ) ableiten und mit einer mathematischen Formel unter Berücksichtigung von Körpergewicht, Alter und Geschlecht die tägliche Jodaufnahme abschätzen. Nach der Weltgesundheitsorganisation WHO soll diese optimal zwischen 100 und 200 µg/Tag liegen. Unter 20µg/Tag besteht ein schwerer, von 20 bis 50 ein moderater und von 50 bis 100 µg/Tag ein leichter Jodmangel. Eine zu hohe Jodaufnahme soll aber auch nicht erfolgen, da dann Schädigungen drohen (Paracelsus läßt auch hier grüßen: „Dosis facit venenum“).
In der Mitte des 20. Jahrhunderts betrug in der deutschen Bevölkerung die Jodversorgung manchmal sogar weniger als 20 µg/Tag. Häufig bestand ein „moderater“ oder auch ein „leichter“ Jodmangel. Durch die Jodsalzprophylaxe stieg diese dann in den Referenzbereich an und lag vor etwa 3 Jahrzehnten im Mittel über 120 µg/Tag. In der früheren DDR, nicht aber in der Bundesrepublik war Jodsalz, so wie auch in Österreich und anderen Ländern, das „Regelsalz“, d.h., jodiertes Speisesalz musste abgegeben werden, wenn in den Geschäften „Speisesalz“ verlangt wurde. Unjodiertes Salz war speziell anzufordern, zum Beispiel von Menschen mit M. Basedow oder M. Hashimoto. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die „Regelsalzverordnung“ in den fünf neuen Bundesländern den Westdeutschen Verhältnissen angepasst, d. h. abgeschafft. Daraufhin nahm die Jodversorgung auch in der ehemaligen DDR wieder ab und sank deutlich unter 100 µg/Tag. Dies wurde in den regelmäßigen Untersuchungen zur Jodversorgung in der deutschen Bevölkerung („Jodmonitoring“) dokumentiert, die im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung vom Robert Koch Institut erhoben wurden (KiGGS – Studie) und auch in der DEGS-Studie. In der DEGS-Studie lag der Jodspiegel im Urin bei Männern bei 69 µg/L und bei 54 µg/L bei den Frauen. Somit erreichten 32 % der erwachsenen Frauen und Männer nicht den von der WHO als optimal eingestuften Wert zwischen 100 und 200 µg/Tag. Ähnliche Verhältnisse bestehen auch in anderen Europäischen Ländern.
Dies veranlasst die Weltgesundheitsorganisation WHO/Europe zu einer Warnung mit der Aufforderung, wachsam zu sein. Sie fordert Aktionen, um ein Wiederauftreten von Kröpfen und embryonalen Schädigungen wie Taubheit und kongenitale Hypothyreose (früher in der ärgsten Ausprägung als Kretinismus bezeichnet) als Folge eines mütterlichen Jodmangel zu verhindern.
Neben der geringeren Verwendung von jodiertem Speisesalz führt die WHO als weitere Gründe an (siehe Abbildung oben aus dem Lancet, Lit. 2): Rückgang des Konsums von Milch und Milchprodukten von Jugendlichen und Erwachsenen. Milch stellt aber die wichtigste Jodquelle in der Ernährung dar, wenn nicht Jodsalz verwendet wird. (Tierfutter wird zur Leistungssteigerung der Kühe Jod zugesetzt!). Mehrere Bäckereien, die ich befragte, verwendeten alle nur unjodiertes Salz. Brot stellt aber eine wichtige Salzquelle dar: 1 Schnitte Brot enthält ~1 Gramm Salz. Da generell der Salzkonsum reduziert werden soll, steht auch heute in vielen Restaurants kein Salzstreuer mehr auf dem Tisch, so daß selbst dann, wenn Jodsalz in dem Betrieb verwendet werden sollte, die Menschen weniger Jod zugeführt bekommen.
In der Bevölkerung gibt es auch teils fanatische Jodgegner:
Nach der Sendung „Terra Xpress“ im Zweiten Deutschen Fernsehen: „Jod – Pro und Kontra“ reagierte die DGE im Internet auf die, wie sie schrieb, „irreführende, tendenziöse“ Darstellung. Ich darf einige Folien aus einem Vortrag zeigen, den ich vor etwa 1 Woche vor einer Bochumer Akademikervereinigung gehalten habe. Diese Kommentare im Internet auf die DGE-Stellungnahme (siehe unten) geben einen Einblick in das Denken von Bevölkerungsschichten und die Ausdrucksweise, wie sie diese des Öfteren in den Sozialen Media gebrauchen, aber eher nicht bei uns Ärzten in der Praxis, auch kaum im Krankenhaus; diesbezüglich sitzen wir offenbar in einem „Elfenbeinernen Turm“.
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Im ZDF (Terra Xpress) irreführende, verantwortungslose Fehlinformationen zur Jodversorgung in Deutschland (Salz, Tierfutter).
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) kritisiert auf das Schärfste die tendenziöse und falsche Berichterstattung eines öffentlich-rechtlichen Senders.
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Es folgten viele Negative Kommentare von Jodgegnern:
Katja: Ich finde es verantwortungslos, die gesamte Bevölkerung, rein prophylaktisch, mit einem Medikament zu versorgen….
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Lea956: Die Aussage war für mich einfach nur menschenverachtend und Patienten verhöhnend. Wenn das Ziel der Endokrinologen und des Arbeitskreis Jodmangel ist eine Bevölkerungsgruppe bewusst krank zu machen, dann ist Ihnen dies hervorragend gelungen, herzlichen Glückwunsch.
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….Nehmen Sie persönlich die Scheiße der Pharma-Mafia, die aus Zerfallsprodukt-Abfall der Kunststoffindustrie hergestellt wird ? Komischerweise will sich die Firma Sanofi nicht dazu äußern und wird regelrecht wie es scheint aufgescheucht! Wenn Sie kein Schilddrüsen-Erkrankter sind, haben Sie keine Rechte, sich blöd zu äußern und uns dieses wichtiges Medikament (einen Extrakt aus Schweineschilddrüsen, statt Thyroxin) zu verweigern!
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….Wenn man aus Gier, oder anderen niedrigen Instinkten heraus, dem Patienten (durch Jodsalz und Jod im Tierfutter) Schäden zufügt oder zuzufügen zuläßt, ist solche Handlung einfach kriminell. Besonders dann, wenn es die Ärzte betrifft. Solche „Ärzte“ wären als Marktschreier besser aufgehoben, da dort ist solch ein Verhalten zulässig. Da es aber tagtägliche Routine geworden ist, muß der Patient stark aufpassen, um nicht zuzulassen, daß ein Arzt aus Gier ihm schadet. Da der Patient in Deutschland kein Lobby hat, kümmert es niemanden. Ein Armutszeugnis für die Ärzteschaft, ohne Frage.
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Es gab aber auch einige positive Kommentare:
Nach meinem Vortrag gab es eine lange Diskussion. Die meisten Teilnehmer waren keine Ärzte und viele betonten, dass ihnen nicht bewußt gewesen sei, welch große Bedeutung einer ausreichenden Jodversorgung zukommt.
Helmut Schatz
Literatur
(1) WHO: People in the WHO European Region at greater risk of iodine deficiency due to changing diets. WHO/Europe and the Iodine Global Network urgently call for iodine fortification of salt and plant-based dairy alternatives.
WHO – Europe Media release. 28 June 2024
(2) Talha Burki: Iodine deficiency in Europe: vigilance and action required.
Lancet Diabetes – Endocrinology, Vol. 12, p. 618, September 2024
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