Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Bei höheren Vitamin B 12-Spiegeln gesteigerte Gesamtmortalität


Bochum, 20. Februar 2020:

In einer longitudinalen Kohortenstudie in der Allgemeinbevölkerung in den Niederlanden waren die Vitamin B12-Spiegel mit dem Gesamtmortalitätsrisiko assoziiert (1).

Dies zeigt anschaulich die Abbildung aus Lit.1. Im oberen Teil ist die positive Assoziation von Vitamin B12 mit der Gesamtmortalität dargestellt, im unteren die Überlebenswahrscheinlichkeit: bei der höchsten Quartile der Vitamin B12-Spiegel (Q4) war diese am geringsten.

In Groningen, NL wurden 5.571 Personen aus der Prevention of Renal and Vascular End-stage Disease Study (PREVEND) in den Jahren von 2001 bis 2011 untersucht. Männer und Frauen waren gleich verteilt, mittleres Alter 53.5 (+/- 12.0, SD) Jahre. Nach Adjustierung für multiple klinische und Laboratoriumsvariable  betrug die Hazard Ratio für die Gesamtmortalität pro B12-Steigerung um 1 Standardabweichung (SD) 1.25 (95%CI, 1.06-1.47, p=0.006).

Kommentar

Hinweise für negativer Wirkungen höherer Vitamin B12- Spiegel gibt es schon seit längerer Zeit. So fand man etwa eine höhere Gesamtmortalitätsrate von Dialysepatienten bei höheren B12-Spiegeln (2); auch andere ungünstige Effekte traten bei Nierenpatienten auf (2). Im DGE-Blog vom 21. Mai 2019 (3) wurde über eine Kohorte aus der prospektiven Nurses´ Health Study berichtet: Von 75.864 postmenopausalen weissen Krankenschwestern kam es in drei Jahrzehnten bei 3% (n=2304) zu einer Schenkelhalsfraktur. Die Fraktur-Patientinnen hatten im Mittel 12.1 µg/Tag Vitamin B12 zu sich genommen, also wesentlich mehr als die in den USA empfohlene Tagesdosis von 2.4 µg/Tag ( in der Europäischen Union liegt diese bei 2.5 µg/Tag). Das Frakturrisiko (RR) betrug bei Vergleich mit  den Krankenschwestern mit niedriger B12-Einnahme (=<5µgTag) vs. mit hoher Zufuhr (>30 µg/Tag) bei  1.25;CI 0.98-1.58, p=0.02 für linearen Trend).

Ähnliches beobachtete man auch bei erhöhter B6-Einnahme der Krankenschwestern, bei kombinierter Zufuhr von B6 und B 12 war dieses Risiko sogar um fast 50% gesteigert (RR 1.47, CI 1.15-1.89).

Fazit

Vitamin B12 und überhaupt Vitamine jeglicher Art soll man nur bei Symptomen (B12 etwa bei hyperchromer Anämie) plus nachgewiesenem Mangel zuführen (abgesehen von den etablierten Indikationen wie Rachitisprophylaxe etc.). Dies gilt auch für die frei verkäuflichen Nahrungsergänzungsmittel, welche rechtlich als Lebensmittel und nicht als Heilmittel eingestuft sind und deren Zusammensetzung nur anzuzeigen ist,  ohne Nachweispflicht von Wirksamkeit und Sicherheit. Sie sind auch nicht selten durch – sogar nicht zugelassene – Medikamente wie Dopingmittel etc. verfälscht, die nicht angegeben werden, was lebensmittelrechtlich sein müsste (4).

Helmut Schatz

Literatur

(1) Jose L. Flores-Guerrero et al.: Association of Plasma Concentration of Vitamin B12 With All-Cause Mortality in the General Population of the Netherlands.
JAMA Network Open 2020; 3(1):e1919274. doi:10.1001/jamanetworkopen.2019.19274

(2) M. Soohoo et al.: Association of Serum Vitamin B12 and Folate with Mortality in Incident Hemodialysis Patients.
Nephrol. Dial. Transplant. 2017. 32(6):1024-1032. doi:10.1093/ndt/gfw090

(3) Helmut Schatz: Hohe Vitamin B6- und B12-Einnahme mit Nahrungsergänzungsmitteln: hohes Schenkelbruchrisiko.
DGE-Blogbeitrag vom 21. Mai 2019

(4) Helmut Schatz: Nahrungsergänzungsmittel sind oft durch Medikamente verfälscht.
DGE-Blogbeitrag vom 19. Oktober 2018

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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2 Antworten auf Bei höheren Vitamin B 12-Spiegeln gesteigerte Gesamtmortalität

  1. Das ist eine interessante Studie, die mit anderen bevölkerungsbasierten Untersuchungen die Vorteile, aber auch die Nachteile teilt. Positiv ist sicher die hohe statistische Power, die durch die große Fallzahl erreicht wird, so dass auch schwache Effekte identifiziert werden können. Nachteilig ist, dass hier ja nur Datensätze mit Todesstatistiken gekoppelt werden, so dass individuelle Mechanismen nicht aufgedeckt werden können. Ein erhöhter Vitamin B12-Spiegel kann beispielsweise auch von Tumorleiden oder einer chronischen Hepatitis verursacht werden, so dass sicher nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass Cobalamin die Ursache der erhöhten Mortalität darstellt.

    Damit soll natürlich weder einer Überdosierung oder einer grundlosen Therapie, ohne dass ein Mangel besteht, das Wort geredet werden.

  2. Thorsten Maverick sagt:

    Der Gesamt B12 Spiegel ist kein guter Indikator für die B12 Versorgung. Da hätte man schon Holo-tc nehmen müssen. Dann hätte man auch noch Ferritin als Index für die Eisenversorgung in die Studie mit reinnehmen müssen, weil Eisenmangel oft durch B12 Mangel bedingt ist, gerade bei Frauen. Und was ist mit den Vitamin D Spiegeln? Sie sollten da auch eine große Rolle spielen. Ich finde das Ergebnis merkwürdig, weil eigentlich alle Patienten von hohen holo-tc Spiegeln profitieren. Ob da von der Coinzidenz auf eine Causalität geschlossen werden kann, halte ich für fraglich. Es gilt wie immer: Wer mißt mißt Mist.

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