Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Hohe Vitamin B6- und B12-Einnahme mit Nahrungsergänzungsmitteln: hohes Schenkelhalsbruch-Risiko


Bochum, 21. Mai 2019:

Mehr als die Hälfte der US-Bevölkerung und etwa 30% der Deutschen nehmen Nahrungsergänzungsmittel zu sich. Eine Kohorte aus der Nurses´ Health Study, einer prospektiven Untersuchung an US-Krankenschwestern von 1984-2014, ergab, dass bei hoher Zufuhr von Vitamin B6 und B12 ein erhöhtes Schenkelhalsbruch-Risiko besteht (1).

Von 75.864 postmenopausalen weissen Krankenschwestern erlitten in 3 Jahrzehnten 2304 (3%) einen Schenkelhalsbruch. Ihr mittleres Alter bei der Fraktur betrug 75.8 Jahre (Bereich 47.7 – 93.0 ), der mittlere Body Mass Index (BMI) 24.3 kg/m2. Die Fraktur-Patienten nahmen täglich im Mittel 3.6 mg Vitamin B6 zu sich,  für Vitamin B12 waren es 12.1 µg/Tag. Dies ist wesentlich mehr als die empfohlene mittlere Tagesdosis (RDA, Recommended Daily Allowance) in den USA von 1.3 mg für Vitamin B6 und 2.4 µg für Vitamin B12 (RDA in der Europäischen Union: 1.4 mg bzw. 2.5 µg).

Vergleich des Frakturrisikos zwischen Patienten mit niedriger (<2 mg/Tag) und hoher  (=/> 35 mg) B6-Einnahme: RR 1.29; CI 1.04-1.59, p=0.06; Vitamin B12: niedrige (< 5µg/Tag) vs. hohe (=/>30 µg/Tag) Einnahme: RR 1.25; CI 0.98-1.58,  p= 0.02 für linearen Trend).

Das höchste Frakturrisiko fand sich bei kombinierter Einnahme von Vitamin B6 und B12 in  hohen Dosen (B6 =/> 35 mg/Tag, B12 =/> 20 mg/Tag): Es war um fast 50% gesteigert (RR 1.47, CI 1.15-1.89) gegenüber Frauen mit niedriger Aufnahme beider Vitamine  (B6 <2 mg/Tag und B12 <12 µg/Tag).

Kommentar

Ein erhöhtes Risiko für Schenkelhalsfrakturen unter hochdosierter Einnahme von Vitamin B6 in Kombination mit B12 wurde unerwarteterweise bereits in einer Sekundäranalyse von zwei doppelblinden randomisierten klinischen Studien (RCT´s) gefunden (2). Die Autoren der jetzigen Publikation (1) können keine Erklärung für ihre Befunde geben. Die Stärke der Studie besteht in der großen Kohorte und jahrzehntelangen Dauer mit Fragebogen-Kontrollen der Diät, der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln und anderer möglicher Einflußfaktoren (confounders) alle zwei Jahre. Es konnte aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Krankenschwestern Nahrungssupplemente zu sich nahmen, weil sie in einem schlechteren Gesundheitszustand waren.

Abschließend möchte der Referent betonen, was er in seinen DGE-Blogbeiträgen schon immer empfiehlt: Nahrungsergänzungsmittel und Vitaminpräparate nicht einzunehmen, wenn kein nachgewiesener, gravierender Mangel mit klinischen Symptomen (signs and symptoms) vorliegt. Eine normale, ausgewogene Mischkost versorgt die deutsche Bevölkerung in der Regel ausreichend mit allen notwendigen Vitaminen. Nahrungsergänzungsmittel unterliegen zudem nicht dem Arzneimittelgesetz, sondern werden rechtlich als Lebensmittel behandelt. Somit sind sie nur anzeigepflichtig, d.h.,  ihre Zusammensetzung, Wirksamkeit und Sicherheit wird nicht überprüft. Nicht selten sind ihnen Wirkstoffen wie etwa Hormonsubstanzen oder andere, in den Stoffwechsel eingreifende Medikamente beigemischt, die nicht auf der Packung angegeben werden (3).

Helmut Schatz

Literatur

(1) Haakon E. Meyer et al. : Association of high intakes of vitamin B6 and B12 from food and supplements with risk of hip fracture among postmenopausal women in the Nurses` Health Study.
JAMA Netw Open. May 10, 2019. 2(5):e1193591. doi:10.1001/jamanetworkopen.3591

(2) Garcia Lopez M. et al. : B vitamins and hip fracture: secondary analyses and extended follow-up of two large randomized controlled trials.
J Bone Miner Res. 2017; 32(10):1981-1989.

(3) Helmut Schatz: Nahrungsergänzungsmittel sind oft durch Medikamente verfälscht.
DGE-Blogbeitrag vom 19. Oktober 2018

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Posted on by Prof. Helmut Schatz
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3 Responses to Hohe Vitamin B6- und B12-Einnahme mit Nahrungsergänzungsmitteln: hohes Schenkelhalsbruch-Risiko

  1. Tim says:

    Zitate aus dem Artikel: „mittleres Alter bei der Fraktur betrug 75.8 Jahre“ und „(BMI) 24.3 kg/m2.“

    Mehr muss man nicht lesen, um die Aussagekraft für die Durchschnittsbevölkerung (=> 0,0) zu bewerten.
    Die Aussage ist also, dass übergewichtige alte Frauen sich häufiger was brechen, auch wenn sie Vitamine einnehmen. Wirklich sehr überraschend.

    Hat jemand was anderes erwartet?

  2. Helmut Schatz says:

    Lieber Tim, der Bereich für das Alter lag zwischen 47.7 und 93 Jahren, der mittlere BMI betrug 24.3 kg/m2. Also nicht nur „übergewichtige alte Frauen“.

  3. Papillon says:

    Liebe(r) Tim,

    Vielleicht ist Ihnen die Tatsache nicht bekannt, dass das Osteoporose-Risiko, und somit auch das Risiko für Knochenbrüche/Oberschenkelhalsbrüche, für gut gepolsterte Damen *geringer* ist. Das heißt, Ihre unterschwellige Annahme, dass sich Übergewichtige öfter Knochenbrüche erleiden als Normalgewichtige, ist schon mal von Haus aus falsch.

    Hinzufügen möchte ich eine kleine launische eigene Anmerkung: Das durchschnittliche Lebensalter wird immer höher, die Bevölkerung altert zusehends. Wer heute vielleicht meint: „ach, das sind bloß dicke alte Frauen, was habe ich damit zu tun“ wird schneller zu dieser Gruppe gehören, als es ihr/ihm lieb ist – und wer weiß, was eine anhaltende kumulative Überdosierung in jüngeren Jahren mit dem Körper macht?

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