Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Vitamin D – ein kritischer Blick auf die Studienlage


Bochum, 10. Februar 2020:

Unter diesem Titel erschien am 7. Februar 2020 in Heft 1-2020 von „Klinischer Fortschritt“ in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (1) ein Übersichtsartikel unserer beiden DGE-Mitglieder Carmina Teresa Fuss und Martin Fassnacht, Würzburg.  Daraus sollen hier zwei kurze Zusammenfassungen gebracht werden:

KLINISCHE RELEVANZ

„Die Grenzwerte zur Definition eines Vitamin-D-Mangels sind weiterhin umstritten. Konsens besteht, dass 25-OH-Vitamin-D-Spiegel unter 12 ng/ml als behandlungsbedürftig gelten, wohingegen Werte über 20 ng/ml als ausreichend und sicher gewertet werden und in der Regel keiner unmittelbaren Substitution bedürfen. Grundsätzlich sollte dem Kliniker allerdings immer bewusst sein, dass die aktuell gängigen Messmethoden fehleranfällig sind und deshalb die Werte gerade im Grenzbereich mit Vorsicht zu interpretieren sind“.

FAZIT

 „Der Hype um Vitamin D hält ununterbrochen an, und dies, obwohl die Datenlage aller bisheriger Interventionsstudien im Hinblick auf die Prävention von wichtigen Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus oder Krebs bzw. die Verhinderung von kardiovaskulären Ereignissen weiterhin klar negativ ausfällt. Deshalb gibt es aus unserer Sicht weiterhin keinen Grund für einen präventiven Einsatz von Vitamin D“.

Etwa zeitgleich, am 6. Februar 2020,  erschien im New England Journal of Medicine ein  Artikel über eine weitere, randomisierte plazebokontrollierte Studie mit negativem Effekt: Bei zusammen 800 Kindern mit an Asthma erkrankten Eltern hatte eine hochdosierte pränatale Vitamin D – Gabe an die Mutter  keine präventive Wirkung für das Auftreten von Asthma nach 6 Jahren (2).

Kommentar

Der Inhalt und die Schlussfolgerungen  des Artikels von Carmina Teresa Fuss und Martin Fassnacht decken sich mit der Meinung des Referenten (H.S.) und seinen Aussagen zu Vitamin-D in vielen DGE-Blogbeiträgen.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Carmina Teresa Fuss und Martin Fassnacht: Vitamin D – Ein kritischer Blick auf die Studienlage.
Deutsche Medizinische Wochenschrift, 7. Februar 2020. 145:135-139

(2) Augustino A. Litonjua et al.: Six-Year Follow-up of a Trial of Antenatal Vitamin D for Asthma Reduction.
New Engl. J. Med. Feb.6, 2020. 382(6);525-533

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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17 Antworten auf Vitamin D – ein kritischer Blick auf die Studienlage

  1. Dana sagt:

    Danke für diesen tollen Blog. Hat mir sehr gut geholfen.

  2. Mela sagt:

    Diese Studie vom 6.2.20 ist ein unzureichendes Beispiel, um es als Argumentation gegen Vitamin D zu verwenden. Denn in dieser Studie wurden nur Schwangeren 4.400 IE Vit D täglich gegeben, die Placebogruppe erhielt nur 400 IE (was per se zu niedrig ist). Der große Fehler in dieser Studie ist: nach Geburt wurde den Kindern nicht weiter Vit D verabreicht, somit fällt nach der Geburt innerhalb weniger Wochen der Vit. D Spiegel wieder in eine Mangelzone. Fazit: Logisch bringt es nicht viel, den Schwangeren Vit. D nur in der Austragungsphase zu geben, sondern muß auch während der Stillphase und auch den Babys gewichtsadaptiert lebenslang Vit. D verabreicht werden. Erst dann wird man sehen, das Asthmaanfälle und Infektionen bei Kindern seltener werden. (Dazu gibt es auch eine Studie, die positiv ausfällt.) Schlecht ist auch hier in der Studie, das hier nie die Vit.D Spiegel bei Mutter und Kind in halbjährlichem Abstand gemessen wurden, oder ob zusätzlich sonnen gebadet wurde!

  3. Mela sagt:

    Nachtrag: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1906137
    Wer Studien zitiert, sollte sich die Studie auch genau anschauen! Es gab übrigens doch einen positiven Benefit: Es gab einen sehr geringen Einfluss auf den Atemwegswiderstand, gemessen durch Impulsoszillometrie. Das wird bei dauerhafter Gabe von Vit.D an die Kinder noch besser weren.
    Und außerdem wurden die Kinder der mit Vitamin D behandelten Mütter tatsächlich seltener krank, berichteten damals Mitarbeiter vom Brigham and Women’s Hospital in Boston.

    881 Schwangere haben teilgenommen, weil deren werdendes Kind ein erhöhtes Risiko auf eine Asthmaerkrankung hatte (Mutter o.Vater waren selbst allerg.erkrankt). Die Behandlung wurde zwischen der 10. – 18. Schwangerschafts­woche begonnen.

    Der primäre Endpunkt war das Auftreten von Asthma oder asthmaartigen Beschwerden („wheezing“) in den ersten 3 Lebensjahren. Die Ergebnisse waren vor 3 Jahren im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2016; 315: 362-370) vorgestellt worden.

  4. Helmut Schatz sagt:

    Liebe Mela, danke für Ihre Kommentare. Es ist wohl davon auszugehen, dass die Neugeborenen die in zivilisierten Ländern übliche, z.T. im Mutter-Kind-Pass vorgeschriebene Rachitisprophylaxe mit Vitamin D erhalten haben. Natürlich kann man -wie immer – sagen: „Das war nicht genügend hoch“. Zum wheezing“ und die nach 3 Jahren positiven Befunde: Wheezing wurde von den Autoren selbst nicht als „Asthma“ eingestuft.:

  5. Helmut Schatz sagt:

    Zum 1. Satz in Ihrem ersten Kommentar, liebe Mela: Die Studie ist doch nicht ein Argument GEGEN Vitamin D, wie Sie schreiben, sondern sie zeigt nur KEINEN Nutzen. („Absence of evidence is not evidence of absence“, lautet ein hier etwas hinkender EBM-Kalauer“.

  6. Melanie Hahn sagt:

    Lieber Herr Schatz,
    auch wenn Kinder nur im 1. Lj. mit meist ca. 400 IE.tgl aufgesättigt werden (in Österreich: 800IE/Tag) wird im 2. Lj. die Vit.D3-Gabe nicht fortgesetzt. Dadurch kann sich auch kein langfristiger positiver Effekt auf eine asthmatische Erkrankung einstellen. Denn innerhalb weniger Wochen fällt ohne Sonneneinstrahlung jeder Vit.D Spiegel in eine Mangelzone.
    Ihr Fazit „der Hype um Vit.D hält ununterbrochen an..“ läßt beim unwissenden Leser eine Message zu: Okay. über 20ng brauche ich nicht zusätzlich suplementieren. Aber es gibt inzwischen 84.000 Studien https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=vitamin+D zu Vit. D und die Erkenntnis, das ein Spiegel unter 40ng ziemlich schlecht ist, und erst über 40ng, besser 50ng viele weitere positive Effekte haben.
    Ich empfehle hier absolute Skepsis gegen schnell geschriebene Vit.D Artikel, die es als Hype abtun. Und dann 1 Studie anführen, die der Mutter hilft (z.B.gegen Frühgeburt), aber nicht langfristig dem Kind.

  7. Helmut Schatz sagt:

    Sehr geehrte Frau Hahn, nach dem Robert-Koch-Institut, den Endokrinologischen Gesellschaften von Deutschland, Österreich und der Schweiz (D.A.CH.) und auch dem Institute of Medicine (IOM), heute National Academy of Medicine der USA sind Vitamin D-Spiegel >20 ng/ml normal. Nur Michael Holick hat die US-amerikanische Endocine Society veranlasst, die untere Referenzgrenze auf >30 ng/ml festzulegen.
    Bitte keine weiteren Kommentare mehr an mich. Wegen „schnell geschrieben“. Lesen Sie, wenn Sie Zeit haben, im DGE-Blog die zahlreichen Artikel zu Vitamin D. Mit frdl. Grüßen! Helmut Schatz

  8. Melanie Hahn sagt:

    Wer interessiert ist: hier eine Auswahl an Studien: die positive Effekte haben:
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31942850 (Kindern 0-19J. wurde der Vit.D. Serumspiegel von 25 (OH) D (18,21 ± 8,22 ng / ml) auf (35,45 ± 9,35 ng / ml) erhöht. Asthma verringerte sich. FAZIT:
    Wir können daraus schließen, dass die therapeutische Verschreibung von Vitamin D den klinischen Status asthmatischer Kinder sehr effektiv verbessert.
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31642155 und Studie 2 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31995561
    =zu niedrige Vit. D Spiegel erhöhen Entzündungsreaktionen in der Plazenta und Frühgeburten aus.
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31836749 (Wachstumsverminderung durch Vit. D Mangel und Eisenmangel)
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31814934 (Erwachsene mit Asthma: häufigere Klinikaufethalte bei sinkendem Vit.D Spiegel)
    https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31651126 (Vit. Spiegel 7-17J.: 13-22ng: keine Verbesserung des Asthmas) tja, 22ng ist halt zu…

  9. Dr. Michael Schulte-B. sagt:

    Unter den von Ihnen zitierten Studien fand Ich keine einzige randomisierte kontrollierte Studie (RCT), wie sie heute im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin (EBM) zu fordern sind.

  10. Triebel sagt:

    Es gibt Ärzte, die sich nicht mit der Pathophysiologie das Asthma beschäftigen wollen; einfach ein Vitamin verordnen und schon bewirkt man Wunder. Dass sie dabei verantwortungslos handeln, verdrängen sie.

  11. M.Hahn sagt:

    An Triebel:
    Was soll diese Aussage bedeuten!? Sie wissen doch überhaupt nicht, ob Ärzte sich dann nicht mehr mit dem Grundleiden von Asthma befassen? Ich gehe stark davon aus, daß jeder Arzt die auslösenden Faktoren von Asthma erkennen möchte und auch behandelt. Nur spricht nichts dagegen, gleichzeitig auch auf einen guten Vitamin D3 spiegel zu achten: >30ng, besser >40ng, damit der Körper selbst auch die Möglichkeit hat, autoimmungestörte Prozesse zu vermindern. Oder haben Sie Angst, ihnen gehen die asthmageplagten Patienten aus, wenn Sie einfach mal Vit D3 Spiegel aus der Mangelzone holen?
    Es ist doch komisch, daß wir erst warten, bis die Menschen richtig krank werden, bevor darauf geachtet wird, daß z.B.Chemopatienten Spiegel um 60ng ansteuern sollen. Übrigens haben Patienten mit Einnahme von Corticosteroide, wie Dexamethason, und Antiepileptika, wie Phenytoin oder Carbamazepin, oder Mittel gegen Bluthochdruck ebenfalls einen höheren Vit.D Bedarf.

  12. M.Hahn sagt:

    aN hERRN DR. MICHAEL SCHULTE-B.
    Sie verlangen randomisierte kontrollierte Studie (RCT), wie sie heute im Zeitalter der evidenzbasierten Medizin (EBM) zu fordern sind.
    Ich verweise allerdings auch darauf, daß ein großangelegter Vergleich zwischen Erkrankungen und deren Vit.D Spiegel den gleichen Schluß zulässt. Ich persönlich empfinde es ethisch bedenklich, Schwangere als Teil einer Placebogruppe in einer Vit. D Mangelzone (40ng/ml liegen, und auch sonstige Supplemente (Eisen, Folsäure, Vit. C, Vit. B, Jod, usw.) im Normbereich liegen.
    Die Verantwortung hier präventiv tätig zu werden, liegt doch in der Aufklärung und Blut-Kontrolle, als hinterher die Krankheiten zu behandeln, die gar nicht erst aufgetreten wären.
    siehe auch Prof. Coimbra

  13. M. Hahn sagt:

    an den Admin dieses Blocks: sie habe den falsche Beitrag geöscht: der erst ist fehlerhaft, weil ihr Progrma 3 Zeilen aus dem Kommentar gelöscht hat: und zwar mittendrin: nach Mangelzone kommen nämlich folgende Zeilen:

    unter 25 ng/ml zu lassen, nur um zu beweisen, daß es nichts bringen würde, und seinen Hauptfokus auf Rachitisprophylaxe zu setzen. Stattdessen sollte man zusehen, das Schwangere über …. 40ng/ml liegen

    (dann würde man sich viele Folgeerkrankungen wie Autismus, Asthma, u.a. diverse Entwicklungsstörungen und Autoimmunerkrankungen beim Kind sparen, oder zumindest stark minimieren).

  14. Thorsten Maverick sagt:

    Die Vitamin D Dosen in den erwähnten Studien sind viel zu niedrig. Unter 5000 IE/d bekommt man außer der Prophylaxe gegen Rachitis kaum wahrnehmbare Effekte. Auch aus eigener Erfahrung in der alten Verwandtschaft braucht man schon 10.000 IE/d damit sich etwas tut. Das wirkt sich dann z. B. massiv auf die Schilddrüsenwerte aus. Das weiß eigentlich auch jeder Therapeut, der Vitamin D bei Patienten häufig einsetzt.

    Methodisch halte ich die Studien außerdem für verfehlt. Interessant wäre z. B. eine Gruppe Patienten mit einem Spiegel unter 10 ng/ml auf 60 ng/ml zu bringen und zu schauen, wie sich das auswirkt und wie hoch dafür die Substitution sein muß.

    Ich habe leider immer wieder den Verdacht, daß diese Studien so angelegt werden, daß da nichts herauskommen kann. Aus anderen Bereichen kenne ich es ja durchaus, daß erst das Ergebnis festgelegt wird, und dann wird dazu die passende Fragestellung gesucht und das Ganze dann als Studie verpackt.

  15. Matthias Leiendecker sagt:

    Leider reiht sich diese Studie lediglich in die Kategorie ein
    „Vitamin-D-Gaben, die mit einem Bruchteil der benötigten physiologischen Dosierung arbeiten, zeigen keinen Effekt“

    Die eigentliche Frage ist doch, weshalb für solche Studien weiterhin Geld verschwendet wird, um Fragen zu klären, die längst breit durch Studien belegt sind- nämlich, dass Bruchteile von physiologischen Dosen keine Effekte hervorbringen. Denn es liegt hinreichende Evidenz für die Sicherheit der Verwendung physiologischer Dosierungen vor. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30611908

  16. Sascha sagt:

    Mein Selbst-Experiment zum Thema VItamin D3

    Im März einen Startwert von 16ng/ml. Ich war häufig krank, steckte mich sehr leicht bei anderen Mitmenschen an.
    Ich dosierte mit 70.000 I.E. sehr hoch, rechnte meinen Bedarf mit „mehreren“ Vitamin D3 Rechner aus und landete bei schon hohen 96ng/ml.
    Ich fühle mich super, total motiviert und gut gelaunt?! Sonnenhormon?

    Ich hab es auch ganz kurz zusammen gefasst:
    saschis.training/vitamin-d3/

    Jeder sollte sich selber informieren, seinen Bedarf prüfen lassen und am besten mit ärztlicher Aufsicht die Behandlung durchführen. Zumindest aber Tests für zu Hause mit einbeziehen, um nicht in eine Überdosierung zu gelangen.

    Grüße
    Sascha

  17. https://blog.endokrinologie.net/vitamin-d-ein-kritischer-blick-4411/
    Es ist schon verwunderlich, dass wie Deutsche eine besondere Spezies sind. Menschen aus anderen Ländern vertragen neue, sehr wirksame Medikamente besser und haben auch das Glück, früher damit behandelt zu werden. Wenn man unter Berücksichtigung des Alters und des gemessenen Mangels an Vit. D3 + K2 (die Verabreichung von D3 ohne K2 führt zu Ablagerungen in den Gefäßen) Patienten optimal einstellen würde, wären verschiedene Krankheiten gar nicht auftreten bzw. sehr viel milder verlaufen. Doch darunter würde die Pharmazeutische Industrie leiden. Es müssen ehrliche Studien mit den im Ausland wirkenden Dosierungen her, dann bekommen auch Osteoporose und andere chronisch Erkrankte, die weder Bisphosphonate noch Denosumab vertragen, endlich das Mittel vom Arzt verordnet mit entsprechender Kontrolle..

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