Bochum, 19. Mai 2020:
Nach dem gestrigen kritischen Blogbeitrag über eine südostasiatische Studie zum Thema Vitamin D und COVID-19 (1) erreichen den Referenten heute zwei Arbeiten aus Großbritannien und den USA, welche auch dafür sprechen, dass Vitamin-D-Mangel zu einer erhöhten Sterblichkeit an COVID-19 beitragen könnte. Medscape (2) titelte griffig den Bericht über diese Arbeiten und die darin diskutierte Frage, ob man zumindest in der COVID-19-Periode allen Menschen Vitamin D zuführen solle: „Vitamin D: A Low-Hanging Fruit in COVID-19” ? .
1.) Autoren aus Großbritannien fanden bei ihren Untersuchungen in 20 europäischen Ländern eine Assoziation zwischen niedrigen bis mittleren Vitamin D-Spiegeln und höheren Erkrankungs- und Mortalitätsraten (3). Die Sterblichkeit war in Italien und Spanien besonders hoch. In diesen Ländern sind die Vitamin D-Spiegel im Durchschnitt deutlich niedriger als etwa im Norden Europas. Dazu könnte beitragen, dass in den Südländern vor allem ältere Menschen die Sonne eher meiden. Auch die hohen COVID-19-Erkrankungen in Britannien korrelierten mit den im Mittel niedrigen Vitamin D- Spiegeln. In skandinavischen Ländern mit bekanntlich niedrigen Raten gebrauchen die Menschen mehr Supplemente und verzehren mehr Vitamin D –haltige fette Fische. Sie freuen sich über jede Sonnenstunde und gehen viel ins Freie.
2.) Die US-amerikanische Autorengruppe von der Northwestern University of Illinois untersuchten Krankenhausdaten von COVID-19-Patienten in 10 Ländern mehrerer Kontinente: China, Frankreich, Deutschland, Italien, Iran, Südkorea, Spanien, Schweiz, Großbritannien und den USA (4). Es lagen bei den meisten der Patienten keine Vitamin – D – Spiegel vor, daher wurden epidemiologischen Daten über Vitamin D in den verschiedenen Ländern zugrunde gelegt. Auch hier fand sich eine Assoziation zwischen niedrigem Vitamin D und höherer Sterblichkeit. Als Erklärung bieten die Autoren an, dass Vitamin D nicht nur das angeborene Immunsystem unterstütze, sondern auch überschießende immunologische Reaktionen mindere und somit die Krankheitsverläufe abschwäche.
Kommentar
Clifford Rosen vom Maine Medical Center´s Research Institute in Scartborough, der ein viertel Jahrhundert über Vitamin D geforscht hat, sagte: „There’s no randomized controlled trial for sure, and that’s the gold standard. The observational data are so confounded, it’s difficult to know.“ (2).
Rose Anne Kenny; Gerontologin vom Trinity College Dublin, Mitautorin bei einer Studie, die eine inverse Assoziation zwischen Vitamin D und Sterblichkeit bei COVID-19 in europäischen Ländern fand, meinte hingegen: „At no stage are any of us saying this is a given, but there’s a probability that [vitamin D] — a low-hanging fruit — is a contributory factor and we can do something about it now”. Sie empfahl, dass die Irischen Regierung veranlassen solle, dass zumindest während der COVID-19-Periode alle Iren Vitamin D – Supplemente nehmen.
Der praktizierende Endokrinologe Harpreet S. Bajaj vom Mount Sinai Hospital, Toronto, Canada, zog für sich aus allen jetzt vorliegenden Studienergebnissen die Schlussfolgerung (2): „Vitamin D could have any of three potential roles in risk for COVID-19 and/or its severity: no role, simply a marker, or a causal factor“. Er sagte des weiteren (wie auch Rosen und Kenny): “Randomized controlled trials (RCTs) are sorely needed to help ascertain whether there is a specific role of vitamin D .Until then, we should continue to follow established public health recommendations for vitamin D supplementation, in addition to following COVID-19 prevention guidance and evolving guidelines for COVID-19 treatment.“
Helmut Schatz
Literatur
(1) Helmut Schatz: Hilft Vitamin D bei COVID-19?
DGE-Blogbeitrag vom 18. Mai 2020
(2) Becky McCall: Vitamin D: A Low-Hanging Fruit in COVID-19?
https://www.medscape.com/viewarticle/930660?src=WNL_trdalrt_i…
(3) Petre Cristian Ilie et al.: The role of vitamin D in the prevention of coronavirus disease 2019 infection and mortality.
Aging Clin Exp Res 2020. https://doi.org/10.1007/s40520-020-01570-8
(4) Ali Daneshkhah et al.: The possible role of vitamin D in suppressing cytokine storm and associated mortality in COVID-19 patients.
BMJ 2020. doi. https://doi.org/10.1101/2020.04.08.20058578
Assoziation ist nicht notwendigerweise Kausalität. Das wird leider immer wieder vergessen.
Sich in dieser Situation auf RCTs als Goldstandard zurückzuziehen wird der Tragweite der Krise nicht gerecht. Müssten dazu nicht Menschen mit dem Virus infiziert werden? Welche Ethikkommission wird das erlauben? Wer soll diese Studien bezahlen? Die Pharmaindustrie?
Welche Gefahr geht denn für die Menschen aus, wenn man ihnen die tägliche Einnahme von z.B. 1000 IE empfiehlt? Babys bekommen 500 IE. Erwachsene müssten eher die 10-fache Babydosis nehmen um denselben Spiegel im Blut zu erreichen. Alle Osteoprose-Patienten bekommen 800 IE. Der Körper kann 10.000-20.000 IE pro Tag selber herstellen. Wie können dann 1000 IE gefährlich sein? Ich finde es unverantwortlich angesichts des mittlerweile bewiesenen und biochemisch verstanden Nutzen (siehe Artikel in der Pharmazeutischen Zeitung https://www.pharmazeutische-zeitung.de/kritische-betrachtung-116884/ ) von VitD für ein funktionierendes Immunsystem hier weiter auf Zeit zu spielen. Bitte mal auf PubMed Vitamin D eingeben.
Anbei zwei RCTs zum Einsatz von VitD3 bei hospitalisierten Patienten. Die Autoren haben sinnvolle Dosen von einigen 100k IE verwendet und den Blutspiegel damit deutlich angehoben. Erste Studie zu Covid19 aus dem Iran und die zweite allgemein zu beatmeten Patienten auf der Intensivstation.
Miri M, Kouchek M, Rahat Dahmardeh A, Sistanizad M. Effect of High-Dose Vitamin D on Duration of Mechanical Ventilation in ICU Patients. Iran J Pharm Res. 2019;18(2):1067‐1072. doi:10.22037/ijpr.2019.1100647
Han JE, Jones JL, Tangpricha V, et al. High Dose Vitamin D Administration in Ventilated Intensive Care Unit Patients: A Pilot Double Blind Randomized Controlled Trial. J Clin Transl Endocrinol. 2016;4:59‐65. doi:10.1016/j.jcte.2016.04.004
Bei der Bewertung von Studien zu VitD sollte immer kritisch überprüft werden, ob sinnvolle Dosen verabreicht wurden, die den Blutspiegel signifikant erhöhen (mIndestens +10 ng/ml). Studien mit homöopathIschen Dosen gehören in die Mülltonne.
Bitte um Entschuldigung, die iranische Studie fand an beatmeten Patienten VOR der Corona-Pandemie statt.
es wird gerne die Hypercalcämie angeführt ..
wer D3 verordnet ohne den Vitamin K2 Spiegel zu testen/ anzuheben macht aus meiner Sicht einen Fehler
siehe auch „Das Calciumparadox“ ..Buch einer kanadischen Kollegin zum Thema Vitamin D3 Substitution