Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Menschen mit Vitiligo sind fünfmal so stark depressionsgefährdet wie Personen ohne die „Weißfleckenkrankheit“ – die VALIANT-Studie


Bochum, 3. September 2022:

In der Endokrinologie spielen die beiden Autoimmun-Polyendokrinopathischen Syndrome (APS I und APS II), auch wegen ihrer Vererblichkeit , eine bedeutende Rolle. Über die Kombination der Autoimmunerkrankung Vitiligo mit einer Hashimoto-Thyreoiditis bei Patienten mit APS publizierte auch der Endokrinologe Alfredo Pontecorvi (der damals neu berufene Leibarzt von Papst Franziskus) mit dem Titel „Tyroidite di Hashimoto, vitiligine e orticaria“, wie im DGE-Blog vom 4. August 2015 zu lesen war (1).

Jetzt berichtet Prof. Julien Seneschal von der Universität Bordeaux, der sich auf diese  seltene Erkrankung spezialisiert hat, über die erhebliche psychische Belastung von Menschen mit Vitiligo (2). Diese bezeichnet er als eine schwere chronische Erkrankung der Haut. Weltweit sind 0.5 – 2% aller Menschen betroffen. Die psychosoziale Belastung ist hoch und vielschichtig, unter anderem mit Schlafstörungen, Angstzuständen, Alkoholismus und Suizidalität.

In der VALIANT-Beobachtungsstudie (3,4) wurden weltweit mehr als 3.500 Menschen mit Vitiligo untersucht. Die Resultate wurde auf der Jahrestagung 2022 der American Academy of Dermatology (AAD)  in Boston vorgetragen:

Eine APS-Familienvorgeschichte wiesen 71% der Betroffenen auf. Mittelgradig bis schwere depressive Symptome wurden mit dem PHQ-9 erfaßt, einem Depressionsmodul des Gesundheitsbogens für Patienten. Die Ergebnisse weltweit und für europäische Länder sowie für verschiedene Hauttypen etc. zeigt die Abbildung (aus Lit. 2).

Abbildung: BSA: Körperoberfläche. Haut-Phototypen nach Fitzpatrick: I-III hellere, IV-VI dunklere  Hauttypen

Mittelgradige bis schwere depressive Symptomatik laut PHQ-9 bei Vitiligo-Patienten (Angabe in Prozent)

Bis vor kurzem gab es keine zugelassenen Therapien für die Vitiligo. Vielfach wurden topische Kortikosteroide und die immunsuppressiven Inhibitoren des Calcineurins angewendet.

Jetzt wurden in den USA am 20. Juli 2022 Ruxolitinib-Creme von der Food and Drug Administration (FDA) approbiert mit der Indikation „Nichtsegmentale (d.h. beidseitig und nicht auf nur eine Körperhälfte beschränkte)  Vitiligo“. Ruxolitinib-Creme wurde schon vorher für die Atopische Dermatitis zugelassen. Ruxolitinib als Tyrosinkinaseinhibitor,auch Hemmer der Januskinase, wird bereits seit längerer Zeit in oraler Form bei bestimmten Bluterkrankungen (Splenomegalie, verschiedenen Formen einer Myelofibrose u.a.) eingesetzt, Name Jakafi™, in der EU: Jakavi ®. Als Creme steht die Substanz  für die Vitiligo in der EU m.W. kurz vor der Zulassung.

Kommentar

Der Referent (H.S.) sah in seiner Klinikzeit und seither in seiner Praxis viele Patienten mit Vitiligo. Oft wurden sie ihm von Dermatologen zur endokinologischen Abklärung zugewiesen. Sehr häufig fand sich eine Autoimmunthyreoiditis, bei einigen auch zusätzlich ein Typ-1-Diabetes und/oder eine kreisrunde oder totale Alopezie.  Bei einem Patienten bestand auch ein Morbus Addison. In der Familienanamnese ergaben sich sehr häufig Manifestationen von Autoimmunendokrinopathien bei den Eltern, Geschwistern oder Kindern.  Bisher symptomlose Verwandte wurden zur  die zur endokrinologischen Abklärung eingeladen.

Bei den bis heute noch fehlenden approbierten Behandlungsformen ergab sich in längeren Gesprächen mit betroffenen Frauen, dass diese enorm unter der Vitiligo litten und oft stark depressiv waren. Insbesondere war dies der Fall, wenn sich bei Frauen die Herde im Gesicht, im Halsausschnitt oder an den Händen fanden. Die VALIANT-Studie bestätigt diese Erfahrungen des Referenten. Bei der Betreuung von Vitiligo-PatientInnen ist ärztlicherseits angesichts der bisher fehlenden kausalen Therapiemöglichkeiten ein empathisches Verhalten besonders wichtig.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Helmut Schatz: Endokrinologe wird Leiter der Medizinischen Dienste des Vatikan.
DGE-Blogbeitrag vom 4. August 2015

(2) Julien Seneschal: Vitiligo und Lebensqualität.
In: WebMD Professional Clinical Update, 22.8.2022

(3) Bibeau K. et al.: VALIANT: Vitiligo and Life Impact among International Countries.
Vortrag auf der Jahrestagung der American Academy of Dermatology , Boston 2022

(4) Bibeau K. et al.: Mental Health and Psychosocial Burden Among Patients Living With Vitiligo: Findings From the Global VALIANT Study.
Präsentation bei der Maui Derm für Dermatologen; 24. Januar 2022; Grand Wailea, Maui (Hawaii).

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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3 Antworten auf Menschen mit Vitiligo sind fünfmal so stark depressionsgefährdet wie Personen ohne die „Weißfleckenkrankheit“ – die VALIANT-Studie

  1. Oliver Hohenegger sagt:

    Etwa 2/3 der deutschen, aber nur 1/4 der italienischen Menschen mit Vitiligo weist mittelschwere bis schwere depressive Symptome auf. Italienische Mentalität, deutsche Schwerblütigkeit?

  2. Oliver Hohenegger sagt:

    Siehe die deutschen und italienischen Eigenschaften im Ländervergleich, Schema im DGE-Blog vom 1.April 2020.

  3. Helmut Schatz sagt:

    Gestern erschienen im NEJM zwei Phase III-Studien über Ruxolitib-Creme bei Vitiligo, mit einem Editorial dazu von Liv Eidsmo : „New Hope for Patients with Vitiligo“ (NEJM Oct ober 2022. 387:1515-1516).. Nach 6 bis 12 monatiger Behandlung der Vitiligo kam es zu einer langsamen Repigmentierung in 30-50% der Patienten. Aus Mäuseversuchen war zu schließen, dass aber die pathogenen T-Zellen in der Haut die Behandlung überleben können und nach deren Beendigung zu einem raschen Rückfallder Erkrankung führen.

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