Bochum, 1. Juni 2023:
Im DGE-Blog wurde seit 2012 schon recht oft über Medikamente gegen Obesitas referiert. Dies betraf Qnexa™, eine Kombination aus Phenteramin und Topimarat (1), welche in der EU als Qsiva® abgelehnt wurde (2), Lorcaserin (Belviq®, ein Aktivator des Serotonin 2C-Rezeptors im Gehirn), und Orlistat (Xenical®), Rimonabant und Sibutramin wurden wegen erheblicher Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen (1). 2014 wurde die Approbation einer Kombination der zwei bereits für die Sucht zugelassenen Einzelsubstanzen Bupropion (Zyban®) und Natrexon (Adepend®) beantragt (3), die 2015 als Mysimba® zugelassen wurde (4). Im Jahre 2014 wurde auch das GLP-1-Analog Liraglutid mit 3 mg als Saxenda® zur Gewichtsreduktion auch ohne Diabetes approbiert. Eine noch stärkere Gewichtsreduktion wurde mit Semaglutid in hoher Dosierung als Wegovy® erreicht, nämlich 15% (5).
Am 24. Mai 2023 referiert Jennifer Rigby, basierend auf Daten von Reuters Health Information 2023, die derzeitige Situation auf dem Pharmamarkt unter dem Titel: Weight-Loss Drug Pioneers Aim to Jump on Wegovy Bandwagon“ (6) . Sie zitiert Wissenschaftler und Analysten, die meinen, dass trotz des zum Teil zehnfach niedrigeren Preises als von Wegovy® und trotz der derzeitigen Lieferschwierigkeiten für Wegovy® ein Wiederanstieg des Umsatzes der älteren und alten Adipositas-Medikamente kaum erfolgen werde. Die Pharmafirmen sehen das anderes. So will Vivus ihr in den USA, nicht aber in der EU zugelassene Qsiva bei uns und auch anderen Ländern erneut launchen. In den USA würden damit jährlich mehr als 150 Millionen $ Umsatz erzielt. Novo Nordisk´s älteres Medikament Liraglutid, als Saxenda® zur Gewichtsreduktion auch bei Nicht-Diabetespatienten, ist zwar weniger aktiv als Wegovy, nämlich nur -5 bis -10%, dennoch seien die Umsatzzahlen 2021 um fast die Hälfte auf 1.5 Milliarden $ hinaufgeschnellt. Die Firma Currax, die ihre Substanz in Europa als Mysimba vermarktet, erziele damit jährlich 100 Millionen $, obwohl diese das Gewicht nur ~5% senke.
Der Obesitas-Markt umfasse ~10 Hersteller und man prognostiziert einen Jahresumsatz von 100 Milliarden $ für die nächsten zehn Jahre. Als nächstes wird Lilly ein neues GLP-1 – Analog ähnlich dem Wegovy herausbringen, gefolgt von Pfizer. Wenn auch noch keine Studien angemeldet sind, so geht man davon aus, dass die Firmen mit den älteren Obesitas-Präparaten diese in Kombination mit einem GLP-1-Rezeoptoragonisten entwickeln werden.
Lee Kaplan, Direktor des Obesity and Metabolism Institute in Boston äußerte sich zu dieser Thematik: „Once the world views obesity as disease (siehe Lit. 7), health care providers will look for other things that can benefit their patients“. Analysten jedoch meinen, dass die Wirksamkeit und die Verträglichkeit bzw. die Nebenwirkungen die älteren Präparate zurückhalten werden. Andrew Levin, Managing Director von RA Capital Management, einer US-Healthcare and Life Science Investment Group hingegen sagte: „I can imagine people trying options but then I would not expect those to see a sustained resurgence“ (6).
Helmut Schatz
Literatur
(1) Helmut Schatz: Gute und weniger gute Nachrichten im Kampf gegen Adipositas und Diabetes
DGE-Blogbeitrag vom 5. Juli 2012
(2) Helmut Schatz: Fettsuchtmedikament Qsiva von EMA erneut abgelehnt.
DGE-Blogbeitrag vom 19. März 2013
(3) Helmut Schatz: Neue Adipositas-Medikamente zur Zulassung eingereicht.
DGE-Blogbeitrag vom 7. Juni 2014
(4) Helmut Schatz: Zwei Medikamente zur Behandlung der Adipositas in der Europäischen Union (EU) neu zugelassen.
DGE-Blogbeitrag vom 29. März 2015
(5) Helmut Schatz: Semaglutid, ein GLP-1-Agonist senkt bei Übergewicht und Adipositas das Gewicht im Mittel um 15%. Die STEP 1 Study.
DGE-Blogbeitrag vom 11. Februar 2021
(6) Jennifer Rigby: Weight-Loss Drug Pioneers Aim to Jump on Wegovy Bandwagon. Reuter´s Health Information 2023.
www.Medscape.com
(7) Helmut Schatz: Die Adipositas – eine chronische Erkrankung.
DGE-Blogbeitrag vom 20. März 2017
Innerhalb der Adipositas-Selbsthilfegruppen erwecken diese Medikamente große Hoffnung. Neben der Nebenwirkungen die die Einnahme der Medikamente bedingen kann, müssen unseres Erachtens aber auch Risikofaktoren, die grundsätzlich durch eine schnelle Gewichtsreduktion und katabole Stoffwechsellage langfristig hervorgerufen werden, mehr Berücksichtigung finden. Der ambulanten Betreuung unter engmaschiger multimodaler Vernetzung und begleitender, insbesondere zielführender Diagnostik , fällt hierbei eine sehr wichtige Rolle zu.