Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Was passiert im Körper, wenn man sich verliebt?


Bochum, 11.7.2019, im beginnenden Sommerloch:

Anfang Januar 2019 fragten mich zwei 16-Jährige Schülerinnen (Namen geändert), was im Körper hormonell passiert, wenn man sich verliebt. Sie sollten darüber eine Seminararbeit schreiben. Meine Antwort ohne wissenschaftliche Belege oder Diskussionen möchte ich im jetzt beginnenden Sommerloch im DGE-Blog bekanntgeben, mit der Bitte, zu ergänzen oder zu korrigieren. Mein Text war nämlich frei „heruntergeschrieben“ worden, da die Zeit für die Schülerinnen drängte.

Helmut Schatz

***

Liebe Sandra, liebe Sabine,

Zuerst kommt das Verlieben  (Verliebtsein), dann wünscht sich  wohl jeder, dass dieser Zustand in Liebe übergeht, die bestehen bleibt (passiert leider nur bei einem Teil der Menschen).

Beim Verlieben spielen viele Faktoren eine Rolle (auch die Düfte sind wichtig!) Die Hormone und Botenstoffe sind also nur einer von vielen. Wobei immer noch offen ist: Was ist die Henne und was das Ei ?, d.h.  rufen Hormonveränderungen Liebe hervor oder sind sie Folge des Verliebstseins? Beim ersten Kontakt, wenn es „funkt“, das Herz klopft und man errötet,  geht der Botenstoff Dopamin in die Höhe, der, wenn man ihn zum Beispiel injiziert, das Herz schneller schlagen lasst. Das ist ein positives Streßhormon, oder, wenn sie wollen, auch ein Glückshormon. Aber das „Glückshormon“ Serotonin sinkt paradoxerweise ab und verhält sich wie bei einer Sucht, egal ob nach Nikotin, Alkohol,  Drogen oder anderen (Sucht-)Gegenständen. Der/die Verliebte ist nach dem/der Partner/in süchtig. Wenn er/sie fehlt, leidet man („Liebeskummer“), auch mit körperlichen Symptomen (so wie etwa ein Alkoholiker zu zittern und zu schwitzen beginnt, wenn er keinen Alkohol bekommt. Das klingt für junge Frauen wie Ihr es seid grob, ja brutal, ist aber so). Weitere Hormone und Botenstoffe, die  beim Verlieben diskutiert werden, sind ein Nervenwachstumsfaktor (NGF, Neurotrophin) und das Phenyläthylamin, das aber noch nicht genauer untersucht ist.

Eine wichtige, kaum beachtete Rolle beim Verlieben spielen die Düfte, die jemand ausstrahlt. Der weltbekannte Bochumer Duftforscher Professor Hans Hatt weist darauf hin, dass Menschen mit unterschiedlichen Düften sich anziehen, solche mit gleichem Duft aber nicht.

Das könnte biologisch insofern vernünftig sein, als man dadurch Inzucht vermeidet. Professor Hatt weist dann immer darauf hin, dass diese Bevorzugung eines anderen, „fremden“ Duftprofils verschwindet, wenn man die Anti-Baby-Pille nimmt. Und war passiert, wenn die Frau nach dem 1. Kind die Pille absetzt? Jetzt kann sie den Partner mit dem gleichen Duft wie sie selbst nicht mehr leiden und es kann zur Scheidung kommen.

Wenn die Phase des Verliebtseins abgeklungen ist, soll die Liebe, die tiefe, verständnisvolle Zuneigung  kommen, wie sie beim Größerwerden der Kinder so wichtig ist. Hier ist das „Kuschelhormon“ Oxytocin aus der Hirnanhangdrüse wichtig, nicht nur für die Mutter-Kind-Bindung (genauer erforscht an den Wühlmäusen in der Prärie und in den Bergregionen Afrikas), sondern auch zwischen den Partnern. Oxytocin gilt auch als „Vertrauenshormon“ und ist für soziale Bindungen von Bedeutung. Als erstes wurde sein die Geburtswehen antreibende Effekt bekannt und ausgenutzt (als „Wehentropf“, der zur Einleitung der Geburt gegeben wird). Für eine dauerhafte Liebe zwischen den Partnern ist es wichtig, sich immer wieder mit Zuneigung zu berühren und zu streicheln. Oxytocin wird ja auch bei der stillenden Mutter aus der Hirnanhangdrüse freigesetzt, wenn das Baby an der Mutterbrust beim Saugen Reize setzt. Im Tierreich sieht man ja, wie diese die  Hautkontakte während des ganzen Lebens pflegen.

Die Psyche spielt natürlich auch eine/die entscheidende Rolle. In Bruchteilen einer Sekunde, wirklich auf den ersten Blick kann sich ein Mensch verlieben. Freilich kann sich eine tiefe Zuneigung, eine Liebe auch nach jahrelangem Kennen erst entwickeln.

Liebe Sandra, liebe Sabine, betrachtet die Liebe nicht zu mechanistisch, sondern als einen wunderbaren Zauber. Ob dieser anhält oder die Entzauberung folgt – ich wünsche Euch jedenfalls die richtigen Düfte, viel Oxytocin und auch sonst alles Gute!

Helmut Schatz

 

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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3 Antworten auf Was passiert im Körper, wenn man sich verliebt?

  1. Giselle sagt:

    Wie schön und traumgleich ist die junge Liebe mit all ihren Hoffnungen und tiefen Empfindungen, mit Ängsten, Schmerzen und der nichts gleichenden Seligkeit.Doch ganz allmählich wandelt sich diese in eine Vertrautheit, ein Verständnis der Zweifel und Träume der anderen Person, des geliebten Menschen mit anderen Wünschen und Wahrnehmungen.Und dann wird im Laufe der Zeit ein Miteinander,eine Gemeinsamkeit und das Dasein für den anderen. Dennoch gibt sich der Liebende nicht völlig auf, er behält seine Kontakte, seine Freunde,doch er bezieht die geliebte Person in diese Gemeinschaft mit ein und schmiedet mit ihr Pläne, die beide betreffen. Zusammen schweigen zu können und den anderen zu spüren, seinen Duft aufzunehmen und in der Zweisamkeit glücklich zu sein, das ist Liebe. Giselle

  2. Endocrinologicus sagt:

    Die Ausführungen für die Schülerinnen in Sachen Liebe habe ich eben gelesen und finde sie sensibel und freundlich formuliert. Die Sensibilität zwischen den Zeilen hat mich beeindruckt.

  3. Thomas Kapellen sagt:

    Lieber Professor Schatz,

    auch ich bin beeindruckt von der feinfühligen Mischung aus objektivierbarem endokrinologischen Wissen und fast philosophischen Betrachtungen der schönsten Sache der Welt,
    Vielen Dank dafür!

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