Bochum, 8. Dezember 2017:
Diesmal möchte ich einen Beitrag über das „Sonnenvitamin D“ schreiben, der vom gewohnten Schema etwas abweicht. Nachdem ich vor Jahren wegen meiner, wie ich meine, sachlichen und kritisch-distanzierten Beiträge zu Vitamin D im Internet einmal sogar als „Lügner“ bezeichnet wurde, schreibt jetzt ein Allgemeinmediziner über „habilitierte Meinungsbildner“ auf der Coliquio-Plattform am 4. Dezember 2014 im Anschluss an einen Beitrag über Vitamin D in der Rheumatologie, gepostet auf dem gesponserten „Infocenter Vitamin D“ mit Werbung für HelioDrei®-Trinkampullen (siehe Abbildung):
Ärztliche Meinungen
„Schon seit vielen Jahren gibt es Hinweise, dass Vitamin D nicht nur wichtig für die Knochengesundheit ist sondern für viele Stoffwechselprozesse. Die Reaktion der medizinischen, meist habilitierten Meinungsbildner war, wie immer, wenn es um Möglichkeiten der Behandlung oder Vorbeugung von Erkrankungen mit einfachen und kostengünstigen Mitteln geht, ablehnend: „Alles Quatsch, nicht bewiesen, irreführend“. Um den Eindruck zu vermeiden, dass dem Medizinbetrieb allmählich der Anstand verloren geht und es nur um Geld und noch mehr Geld geht, sollten wir offener für Hinweise sein, wie sie sich aus Untersuchungen wie diesen ergeben“ (1).
Ein weiterer Kollege rückt diese Auffassung über die Bedeutung von Vitamin D in der Rheumatologie aber – aus meiner Sicht – wieder zurecht:
„Solche Studien (wie die im Beitrag beschriebenen, Anm. des Referenten) bringen ausser der Unterstreichung der Wichtigkeit von Vitamin D nicht viel, da sie mangelhaft sind. Sie haben die gleichen Mängel wie sie die überwiegende Zahl von vorherigen Studien auch hatten, welche die Verwendung und Nutzen von verschiedenen Mineralien und Vitaminen untersuchten“ (1).
Aktuelle Studien
Am 24. November 2017 erschien in Clinical Endocrinology eine sorgfältig geplante prospektiv-randomisierte Studie über die Gabe von Vitamin D allein oder zusammen mit Kalzium während 6 Monaten an 228 jungen, gesunden Männern. 180 Personen beendeten die Studie. Gemessen wurden handgrip, pinch-grip strength, Gehdistanz in 6 min, ein Dyspnoe-Score und die Lebensqualität (Short Form 36). Es fand sich kein Unterschied zwischen den 4 Gruppen, auch nicht bei Berücksichtigung der Testosteronspiegel, die sich zwischen den Gruppen nicht unterschiedlich verhielten (2).
Ebenfalls in Clinical Endocrinology wurde eine doppelblinde, randomisiert-kontrollierte Studie über die Muskelfunktion und die Lebensqualität von 297 postmenopausalen Frauen mit Osteopenie oder Osteoporose publiziert. Alle erhielten über 12 Monate täglich 1000 mg Kalzium und 800 IE Vitamin D3, sowie randomisiert zusätzlich entweder 2x wöchentlich Kapseln mit 20.000 IE Vitamin D3 oder Plazebo. Die Muskelkraft wurde mit dem handgrip erfasst, auch die Kraft des Knie-Extensors sowie die Balance mit dem Tandem Test und auch die Lebensqualität mit dem EQ-5D. Die Frauen wurden genotypisiert nach SNP`s mit Bezug auf den Vitamin D –Metabolismus. 275 Frauen beendeten die Studie. Der mittlere 25(OH)D-Spiegel stieg in der Hochdosis-Gruppe sehr stark von 64,7 auf 164.1 nmol/L an (p<0.01), während er in der Standarddosis-Gruppe nur von 64.1 auf 81.8 nmol/L hochging. Ergebnis: Es fand sich kein Unterschied in der Muskelkraft, dem Balance-Vermögen oder der Lebensqualität. Der Polymorphismus rs3829251, lokalisiert im 7-Dehydrocholesterol-Reduktase-Gen war mit der Muskelkraft und den Behandlungsresultat assoziiert. Schlussfolgerung: Eine einjährige hochdosierte Vitamin D – Gabe hat keinen Effekt auf Muskelkraft, Balance und Lebensqualität bei postmenopausalen Frauen mit Osteopenie oder Osteoporose (3).
Im Fernsehen hat der Referent in der Sendung “plusminus“ am 27. 7. 2017 seine Meinung über Vitamin D auf der Basis von Evidenzen bekanntgegeben. Dieser Beitrag kann in der ARD-Mediathek noch bis zum 27.7.2018 abgerufen werden (4). Seither ist die umfassende Metaanalyse von Autier et al. am 25. Oktober publiziert worden: Möglicherweise schützt Vitamin D auch noch vor akuten Atemwegsinfekten und Asthma-Exazerbationen, ohne dass dies schon als gesichert angesehen werden kann. Im DGE-Blog hat der Referent darüber am 1. November 2017 berichtet (5).
Helmut Schatz
Literatur
(1) Infocenter Vitamin D im Ärzteportal „Coliquio“
https://www.coliquio.de/wissen/vitamin-d-100/Vitamin-D-Rheuma..
(2) S. Saha et al.: Vitamin D and calcium supplementation, skeletal muscle strenth and serum testosterone in young healthy adult males: Randomized control trial.
Clinical Endocrinology, first published 24 November 2017. DOI: 10.1111/cen.13507
(3) G. Grimnes et al.: The effect of high-dose vitamin D supplementartion on muscular function and quality of life in postmenopausal women. A randomized controlled trial.
Clinical Endocrinology 2017. 87(1):20-28
(4) H. Schatz in : „plusminus“ über Vitamin D am 26.7.2017.
ARD Mediathek, http://www.ardmediathek.de/tv/Plusminus/Vitamin-D/Das-Erste/Vi..
(5) H. Schatz: Vitamin D – Supplementierung und nicht-skelettale Erkrankungen: Systematische Übersicht der Metaanalysen und randomisierter Studien von 2013-2017
DGE-Blogbeitrag vom 1. November 2017
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Hallo Herr Schatz,
vielen Dank für diesen wertvollen Beitrag. Ich für meinen Teil habe schon häufig bei mir und meiner näheren Umgebung feststellen müssen, wie mächtig itamin D3 sein kann. Genauso musste ich häufig feststellen, das die Referenzbereiche verschiedener Labore sehr unterschiedlich ausfallen und oft zu niedrig angesetzt sind. Da herrscht in jedem Fall Aufklärungsbedarf.
Schöne Grüsse
Michael Ayed
Wie Sie bereits anführen, sollte man generell kritisch mit Studien und generell Quellen umgehen. Ich denke, dass man sich lieber den Rat mehrerer Experten aus der Rheumatologie einholen könnte. Diese werden in Ihrem Studium und in den Jahren ihrer praktischen Arbeit eine differenzierte Meinung zur Wichtigkeit von Vitamin D entwickelt haben. Vielen Dank für Ihren Beitrag!