Graz, zum Neujahrstag 2019:
Im Journal of Mental Health erschien aus dem Trinity College in Dublin das Resultat der Erhebung eines „Fröhlichkeitsindex“ an ~38.000 Teilnehmern aus 21 europäischen Ländern im Rahmen des European Social Survey (1). Auf einer Fröhlichkeitsskala von 27 (extreme Fröhlichkeit) bis zu einem unteren Grenzwert von 5 (überhaupt nicht fröhlich) liegt die Schweiz an der Spitze, gefolgt von den Niederlanden, Belgien und Dänemark. Österreich nimmt den 9., Deutschland den 15. Platz ein, die „Schlusslichter“ sind Estland, Polen und Litauen.
Ausgewertet wurden von den frei zugänglichen Daten des Surveys folgendeFragen:
- Wie oft waren sie in der vergangenen Woche glücklich?
- Wie sehr haben Sie in der letzten Woche das Leben genossen?
- Wie oft treffen Sie sich in der Freizeit mit Verwandten, Freunden oder Kollegen?
- Wie wichtig ist es für Sie, eine gute Zeit zu haben? Verwöhnen Sie sich auch einmal?
- Nutzen Sie jede Chance, Spaß zu haben? Ist es für Sie wichtig, etwas zu tun, was Ihnen Freude bereitet?
Männer hatten einen höheren Fröhlichkeitsindex als Frauen, mit zunehmendem Alter nahm die Fröhlichkeit ab. Auch bei höherem Haushaltseinkommen war man fröhlicher, ebenso bei guter Gesundheit.
Ein gesunder junger Schweizer mit hohem Einkommen ist nach dieser Erhebung der fröhlichste Europäer.
Der „DGE-Blogger“ Helmut Schatz wünscht den DGE-Mitgliedern sowie allen Leserinnen und Lesern
EIN GLÜCKLICHES, FRÖHLICHES UND GESUNDES NEUES JAHR 2019
Er ist kein junger Schweizer mit hohem Einkommen, wenn auch einigermaßen gesund. Er meint trotzdem, bei allen Fährnissen des Lebens recht glücklich zu sein, und sogar mit zunehmendem Alter noch glücklicher und fröhlicher zu werden.
Auch beim Erfassen von Fröhlichkeit und Glück gilt nicht ein statistische Durchschnittsresultat, sondern es ist wie in der personalisierten Medizin: Das Individuelle ist das letztlich Entscheidende.
Literatur
(1) Brendan D. Kelly: Exploring end explaining the „Santa Claus effect“: cross-sectional study of jollity in 21 European countries.
Journal of Mental Health 2017. 26(6):538-542.
https://doi.org/10.1080/09638237.2017.1370643
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Die Schweiz hat nur ein kleines Territorium und dennoch werden 4 Sprachen gesprochen,Deutsch, Italienisch ,Französisch und Rätoromanisch,so wird auch die Kultur sich jeweils unterscheiden. Deshalb ist es schwer, ein objektiv richtiges Resultat zu erzielen bei einer Befragung. Ich bin der Meinung,dass auch das Klima eine Rolle spielt,denn in südlicheren Gebieten ist die Möglichkeit zur Kommunikation größer,da sich das Leben draußen abspielen kann.Außerdem ist die Situation des Befragten und sogar die Stimmung von den Antworten abhängig.Natürlich muss bei einer Befragung trotzdem ein Fazit gezogen werden und so die Ergebnisse anerkannt werden.
Ich dachte bisher, die Dänen seien die Glücklichsten. Ich bezog mich auf einen Artikel in der New York Times ( https://www.nytimes.com/2016/03/17/world/europe/denmark-world-happiness-report.html). Nach diesem Bericht lagen in den letzten Jahren die Dänen meist an der Spitze, gefolgt von der Schweiz. Er bezog sich auf das „happiness ranking“ des Gallup-Instituts. Dessen Einstufungen basierten auf individuellen Angaben (Selbsteinstufung auf der „Cantril Ladder“ von 0 am unteren Ende und 10 an der Spitze) und objektiven Indikatoren wie Bruttosozialprodukt pro Einwohner, gesunde Jahre in der Lebenserwartung, soziale Unterstützung, Vertrauen in Regierung und Geschäftswelt, dass diese nicht korrupt sind, Großzügigkeit bei Donationen u.a.). Dies sind natürlich andere Indikatoren als die für die Erfassung der jollity, der Fröhlichkeit (siehe die 5 Punkte oben im Beitrag), vorgenommen nicht von einem Meinungsforschungsinstitut, sondern im Rahmen des European Social Survey und publiziert in einer wissenschaftlichen Zeitschrift. Zwischen happiness und jollity besteht ein kleiner, aber feiner Unterschied. Wie dem auch sei, es mag im Leben gewiss nicht von Nachteil sein, ein Schweizer mit dänischen Wurzeln zu sein, oder umgekehrt!
Peer Schatz, Düsseldorf
Aus New York erhalte ich folgenden Kommentar, den ich mit Einverständnis des Verfassers hier wiedergebe:
„Ich staune, dass die Schweizer beim „Fröhlichkeitsindex“ den ersten Platz einnehmen. Ich denke an die Zeit, als ich vor etlichen Jahren in Basel war und im Theater das Stück von Oscar Wilde „The Importance of Being Earnest“ in deutscher Sprache sah (die ich, da ich deutschsprachige Wurzeln habe, sehr gut beherrsche). Bei Wilde gibt es immer viel zu lachen. Aber nur ich habe gelacht (zumindest in meiner Reihe und in den davor und dahinterliegenden). Das Schweizer Publikum war ganz ohne äußerliche Reaktion fromm und kalt auf den Sitzplätzen gesessen. Ebenso lachte nur ich in der Aufführung der Operette „Die Fledermaus“ . Die Schweizer scheinen mir nicht ein frohes Volk zu sein, zumindest nicht die Deutschschweizer“.
Eine Egänzung erreicht mich zu obigem Kommentar:
„Die Schweizer sind vom Geburt bis zum Tod sozial abgesichert und das kann natuerlich froh und gluecklich und auch selbstsicher machen. Aber zu Froehlichkeit und Glueckseligkeit gehoert auch Humor. Die Beispiele, die ich in meinem Kommentar oben angeführt habe, habe, zeigen eher einen Mangel in dieser Hinsicht“.
Das Ergebnis der Erhebung ist sehr aufschlussreich. Das Trinity College in Dublin war durch viele Jahrhunderte eine protestantische, englische Trutzburg im katholischen Irland. Erst seit 1970 (!) dürfen Katholiken das Areal offiziell betreten. So eine traditionelle Institution hat ihren festen Standpunkt, und dementsprechend fiel auch die Erhebung aus: Danach sind die vier „ fröhlichsten“ kleine europäische protestantische Länder mit einer hohen Arbeitsmoral und hohen, auch materiell hohen Zielsetzungen. Meine jahrzehntelange innige berufliche und familiäre Beziehung zur Schweiz hat mich davon überzeugt, dass persönlicher und institutioneller Erfolg in der Schweiz Glücks- und Fröhlichkeitsgaranten sind – Voraussetzungen für die von uns allen so geschätzte „Sauberkeit“ der Schweiz in allen Belangen.Das tief verankerte katholische Wissen um die „Vanitas“ des menschlichen Lebens und die damit verbundene, erfolgsunabhängige Unbeschwertheit löst z.B. in Österreich ( aber auch in dem mir sehr vertrauten Italien) eine ganz andere, spontane Fröhlichkeit aus, die schlecht in den schematisierten Fragebogen des Trinity College passt, und auch vielen Schweizern unverständlich, oberflächlich, ja sogar als Charakterschwäche erscheint: Der „liebe Augustin“ hat in der Schweiz nichts verloren!
Der „Liebe Augustin“ war im 17. Jhdt.in Wien zur Zeit der schrecklichen Pestepidemie ein Bänkelsänger, der den noch gesunden Wienern mit seinenkl Liedern Mut und Halt in der schweren Zeit gab. Er war eimal recht betrunken auf der Straße gefallen und wollte gleich dort seinen Rausch ausschlafen. Die „Pestkommandos“ hielten ihn für einen der vielen Toten, die in den Straßen überall lagen, luden ihn auf den Leichenwagen und warfen ihn in eine Pestgrube. Morgens erwacht, konnte er allein nicht aus der Grube heraus und begann seine wie stets lustigen Lieder zu singen, bis er herausgeholt wurde. In der Folge besang er dieses Ereignis in den Wiener Kneipen, so etwa auch in dem heute noch bestehenden „Griechenbeisl“ auf dem Wiener Fleischmarkt.
Um fröhlich zu sein, muß man nicht jung, wohlhabend , erfolgreich und sozial abgesichert zu sein.
Gleich zweierlei dazu:
Aus „Die Poggenpuhls“, von Theordor Fontane:
„Glücklich machen ist das höchste Glück. Es war mir nicht beschieden. Aber auch dankbar empfangen können ist ein Glück.“
„In einem Schlosse zu Hause sein und Hunderte beglücken und dann durch Entziehung von Glück auch mal wieder strafen zu können, das alles ist eine andre Lebensschule, wie wenn man nach Herrn Nebelungs Augen sehen und sich um seine Gunst bewerben muss. Ich habe nur sorgen und entbehren gelernt. Das ist meine Schule gewesen. Viel Vornehmes ist dabei nicht herausgekommen, nur Demut. Aber Gott verzeih es mir, wenn ich etwas Unrechtes damit sage, die Demut, wenn sie recht und echt ist, ist viellelcht auch eine Eigenschaft, die sich unter dem Adel sehen lassen kann.“
War für mich immer so eine Sache, wenn andere, die Sozialämter nicht von innen kannten, mir das Glück erklärten. Mit Alkohol das Elend zuzukippen, schien mir auch nicht der Weg. Aber ja, es stimmt trotzdem, ich habe viel gelacht in meinen armen und kranken Jahren.
Und dann, auch das noch: Ich bin Norddeutsche, lebte aber im südlichen Baden-Württemberg, als ich erkrankte. Es hat, wie ich schon berichtete,15 Jahre Diagnostik gebraucht, um 2010 endlich meinen hochfloriden Hashimoto mit Gehirnbeteiligung festzustellen. In all der Zeit war ich bei Nervenärzten in Behandlung, und die Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung fand schließlich auch ein Neurologe bei mir.
Aber bis ich 2004 von Baden-Württemberg zurück zog an die heimatliche Nordseeküste, geschah diagnostisch nichts mehr, nachdem die Standardabklärung auf MS vorüber war. Die Nervenärzte da unten hatten nämlich in ihren Berichten vermerkt, ich sei inadäquat heiter, und daher mit Sicherheit psychosomatisch erkrankt. Da ich nicht einsichtig sei, müsse alles vermieden werden, was meine Ansichten bestärke. Sogar der MdK bestätigte das so. Und ich bekam keine HIlfe mehr, weder diagnostisch, noch therapeutisch.
Hier oben angekommen, schüttelten alle Ärzte nur den Kopf. Nie wieder hat mich einer inadäquat heiter gefunden. Ich sei doch seelisch ein total normaler und glücklicherweise trotz der bedrohlichen Lebenssituation stabiler Mensch. Plötzlich, nur durch den Umzug, wurde ich von Querulantin zu Patientin.
Erst viel später fing ich an, nachzudenken, warum um alles in der Welt zwei so verschiedene Einschätzungen meinen Krankheitsweg begleiteten. Heute muss ich heiter feststellen: Die Süddeutschen machen uns robusten Nordlichtern einfach den Schnitt kaputt. Dänen und Niederländer liegen weit vorn im Glücksranking. Da kommt man in Ostfriesland aber locker mit.
Ein Kommentar erreicht mich von einem Protestanten aus der Schweiz, der nicht genannt werden möchte:
„Max Webers Klassiker „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, Pflichtlektüre für Soziologie-Studenten, liefert den theoretischen Unterbau zur Erklärung des Erfolges protestantischer Länder (aber nicht einer „Fröhlichkeit“, Anmerkung von H. S.). Karl Marx (1818-1883) erklärt im dialektischen Materialismus, wie die reale materielle Wirklichkeit zur Idee einer idealen Gesellschaft führt. Max Weber (1864-1920) hingegen kehrt Ursache und Wirkung um und führt aus, wie die protestantischen Ideen von Auserwähltheit, strengem Pflichtgefühl, gottgefälligem Leben, das von höchster Stelle auch augenfällig belohnt wird, eine neue erfolgreiche Wirklichkeit formten. Die Reformer, voran Calvin, waren sicher keine sehr geselligen Leute… ihre stramme Gefolgschaft galt stellenweise auch als die „christlichen Juden“ wie berichtet wird. Was hier aber absolut nichts gegen diese heissen soll“.
Ich lehrte zweimal 1 Semester als Gastprofessor an der ETH, unternahm viele Hochtouren im Sommer und im Winter (mit Schi) in den Schweizer Alpen und mache mindestens jedes 2. Jahr 1 Woche Urlaub mit meiner Frau in der Schweiz. Auf akademischem Boden sind die Schweizer sehr fleißig, offen und gesellig und machen einen glücklichen Eindruck; ich habe heute noch Kontakt mit einigen von ihnen. In den Bergen habe ich sie als verlässliche und fröhliche Kameraden kennen gelernt. Allerdings habe ich den Eindruck, dass sie versuchen, ihre Fröhlichkeit und ihr Glück in der Schweiz festzuhalten und nur vorsichtig mit Nicht-Schweizern zu teilen.