Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Testosteronmissbrauch bei älteren Männern könnte die Zulassung von oralen Testosteronpräparaten in den USA verhindern


Männliches Hormon als Lifestyle-Medikament und zum Doping

Bochum, 27. März 2018:

Während für Testosteron-Undecanoat in oraler Form (etwa als Andriol®) in Deutschland  wie auch in vielen anderen Ländern eine Zulassung besteht, ist dies in den USA nicht der Fall. Dort ist diese orale prodrug für Testosteron nur als orphan drug zur Behandlung von körperlich bedingten Wachstums- und Pubertätsverzögerungen bei männlichen Jugendlichen im Alter von 14-17 Jahren seit 2013 von der Amerikanischen Arzneibehörde (FDA) lizensiert. Jetzt votierte im Januar 2018 (siehe Lit. 1) das Beratergremium der FDA gegen die generelle Zulassung von oralem Testosteron-Undecanoat in Kapseln (vorgesehener Handelsname: Tlando). Eine Entscheidung der FDA ist nach Kenntnisstand des Referenten noch nicht gefallen. Als orales Testosteronpräparat ist zwar Methyltestosteron auf dem Markt, wird aber wegen seines Hepatotoxizitätsrisikos kaum eingesetzt. Gut verträgliche orale Präparate von männlichem Hormon würden jedoch bei Patienten wie etwa mit Klinefelter-Syndrom oder bei Transsexuellen und anderen bevorzugt verwendet werden. Auch manche Patienten, die auf Nebido® (Testosteronundecanoat in Rhizinusöl zur i.m. Injektion) wohl zufolge unkorrekter i.m. Gabe unangenehme Nebenwirkungen entwickelten, kamen in meine Praxis und fragten nach einer anderen Darreichungsform (siehe auch die über 130 Diskussionsbeiträge zu meinem Blogbeitrag über Nebido,  Lit.2). Wie jetzt in einem  Editorial im  LANCET –  Diabetes & Endocrinology von März 2018 geschrieben wurde (1), nimmt man an, dass  Kapseln mit Testosteronundecanoat,  ähnlich wie die bereits verfügbaren Testosteronpflaster,  off-label bei älteren und alten Menschen ohne Hypogonadismus nur mit unspezifischen Symptomen breit eingesetzt werden.

Kommentar

Befürchtet wird vor allem ein erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen. Vor etwa  1 Jahr wurde im DGE-Blog über die sieben von den National Instituts of Health (NIH) initiierten doppelblinden, plazebokontrollierten Studien über Testosterongabe an Männer über 65 Jahre mit niedrigem Testosteronspiegel ohne andere erkennbare Ursache als das Alter berichtet („TTrials“, siehe Lit. 3). Dabei zeigte sich ein Nutzen für den Knochen sowie bei Anämie, welcher aber das beobachtete erhöhte kardiovaskuläre (CV) Risiko nicht rechtfertigen würde, da für Knochen und Blutbild andere Medikamente ohne CV Risiko zur Verfügung stünden. Die Resultate können detaillierter im entsprechenden Blogbeitrag (3) nachgelesen werden. Die Hersteller von Testosteronpräparaten wurden bereits 2014 von der FDA aufgefordert, in den Beipackzetteln ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass Testosteron nur für umrissene Indikationen zugelassen ist und dass vor dem erhöhten Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko zu warnen ist. Ein Diskussionspunkt ist das Monitoring auf Prostatakarzinom. Dennoch ist in den USA der Testosteroneinsatz bei unspezifischen Symptomen auch ohne Spiegelmessung  nach wie vor recht hoch. Shalender Bhasin vom Brigham and Women´s Hospital in Boston, der Chairman der Guidelines Task Force der Endocrine Society stellte bei der Vorstellung der neuen Leitlinien dieser Gesellschaft zu Testosteron in Chicago im März 2018 (4) fest: „In a reflection of the growing attention paid to men´s health issues, men´s health clinics have mushroomed“ (5).  Nach Kenntnis des Referenten ist dies in unserem Land erfreulicherweise nicht oder zumindest nicht in diesem Ausmaß der Fall.

In Deutschland  besteht aber wie in vielen anderen Ländern auch ein ausgedehnter (Schwarz-) Markt von Testosteronpräparaten sowohl zur Injektion als auch zur oralen Einnahme im Umfeld von Fitness- und Bodybuilding- Studios sowie  zum Doping bei Leistungssportlern und Athleten. Als orales Präparat wird bei uns vorwiegend Andriol® verwendet, daneben auch  Präparate wie Restando aus Griechenland oder Undestor aus Spanien. So kam ein Mann zu mir in die Praxis, der schon längere Zeit ein Bodybuilding-Studio besuchte und mich bat,  anstelle von Testosteron ihm jetzt Wachstumshormon zum Muskelaufbau zu verschreiben, da unter dem Testosteron seine Hoden schrumpfen würden. Seine Freundin habe sich schon beklagt. Und schließlich das Doping – ein unerschöpfliches Thema! Auch Rennpferde werden schon seit über 100 Jahren auf die verschiedenste Art gedopt (siehe Lit. 6).

Helmut Schatz

Literatur

(1) Editorial: Testosterone therapy: has overuse undermined use?
THE LANCET Diabetes & Endocrinology March 2018. 6(3): 157.
DOI: https://doi.org/10.1016/S2213-8587(16)30062-6

(2) Helmut Schatz: Testosteron alle 3 Monate (Nebido®, in USA Aveed™): Gespaltene Meinung des Beraterkomitees der FDA für US-Zulassungsempfehlung wegen Nebenwirkungen nach Injektion.
DGE-Blogbeitrag vom 25. April 2013

(3) Helmut Schatz: Testosteron bei älteren Männern mit niedrigem Hormonspiegel für Knochen und Anämie günstig, keine Wirkung auf Gedächtnisschwäche. Herz/Kreislaufeffekte: widersprüchliche Resultate.
DGE-Blogbeitrag vom 11. März 2017

(4) Shalender Bhasin et al.: Testosterone therapy in men with hypogonadism: an Endocrine Society Clinical Practice Guideline.
J Clin Endocrinol Metab published 17 March 2018. jc.2018-00229.
https://doi.org/10.1210/jc.2018-00229

(5) Lisa Nainggolan: New testosterone treatment guidelines „useful but not gospel“.
https://www.medscape.com/viewarticle/894075?nlid=121438_304…

(6) Klaus-Dieter Döhler: Olympische Spiele ohne Endokrinologie? Wohl nur in vergangener Zeit!
DGE-Blogbeitrag vom 1. September 2016

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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