Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss für medizinische Themen.

Der Daoismus und die „Drei Lehren“ in China


Zum Weihnachtsfest 2021

Wien und Bochum, 15. Dezember 2021

Traditionell wurden in den letzten Jahren im DGE-Weihnachtsblogbeitrag nicht-christliche Religionen und Weltanschauungen betrachtet. Im Jahr 2020 war es das Bahaitum, 2019 der Sikhismus, 2018 das Jesidentum und 2017 der Buddhismus mit den Sonderformen des Lamaismus und des Amida-Buddhismus.

In diesem Jahr soll es der Daoismus sein, zusammen mit dem Konfuzianismus und dem Buddhismus eine der „Drei Lehren“ in China. Der Beitrag wurde wiederum gemeinsam mit meinem Grazer Schulfreund und Medizin – Kollegen Klaus Ehrenberger verfasst,  emeritierter Direktor der Universitäts-HNO-Klinik Wien. Ehrenberger beschäftigt sich schon lange mit dem Daoismus und verfasste das unten stehende Kapitel „Das Dao in Philosophie und Religion“. Dem Referenten (H.S.) sei es gestattet, einleitend etwas zu den „Drei Lehren“ in China auszuführen:

***

Der Daoismus (Taoismus) ist eine chinesische Philosophie und Weltanschauung. Er gilt als  eigene, authentische Religion in China. Begründet wurde er von Laozi (Lao Tse, Lao Tzu = „Alter Meister“) im  6. vorchristlichen Jahrhundert (der „Achsenzeit“ nach Karl Jaspers). Er zählt zu den drei „Großen Lehren“ in China: Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus.

Bei Konfuzius ist das zentrale Thema die menschliche Ordnung und deren Ethik. Diese wird durch Achtung vor den anderen Menschen und Ahnenverehrung erreicht. Ein „edler“ Mensch befindet sich mit dem Weltganzen in Harmonie. Höchstes menschliches Ziel sind eine Harmonie der Mitte, Gleichmut und Gleichgewicht. Um dies zu erlangen, ist Bildung wichtig.

In der Lehre von Buddha stellen die „Vier Edlen Wahrheiten“ den Kern dar. Das Leiden und seine Ursachen stehen im Zentrum,  mit dem „Achtfachen Pfad“, wie man das Leid zum Erlöschen bringen kann: durch Einsicht in die Lehre, deren ethische Grundlagen und durch geistiges Training: Meditation und Achtsamkeitspraxis. Durch Erwachen (“Erleuchtung“) wird der Kreislauf des Lebens und Leidens mit Wiedergeburt verlassen und man erlangt das Nirwana, die höchste Entwicklungsstufe des Bewusstseins.

Die Idee des buddhistischen Nirwana berührt sich mit Ansichten des philosophischen Daoismus über die Auflösung des Ich. Für Laozi bedeutet der Begriff des Dao ein der ganzen Welt zugrunde liegendes, durchdringendes Prinzip. Dao ist die höchste Wirklichkeit, das höchste Mysterium, kosmisches Gesetz und das Absolute. Es ist undefinierbar.  Mehr soll hier nicht gebracht werden, es ist dem unten stehenden Artikel von Klaus Ehrenberger zu entnehmen.

Abbildung (aus Wikipedia): Größte und älteste Steinskulptur von  Laozi / Lao-Tse /Lao Tzu in Quanzhou (Kanton)

Über Laozi als Person ist kaum etwas bekannt. Die ältesten Berichte enthalten Legenden und Anekdoten. Die erste historische Quelle findet sich in den „Aufzeichnungen eines Chronisten“ aus dem 1. Jahrhundert vor Christus. Später, ab dem 2. Jahrhundert wurde in der Form des religiösen Daoismus in der Person des Laozi der Hochgott gesehen. Er galt als Verkörperung des Dao und man nahm an, er weile im Sternbild des Scheffels. In einigen daoistischen Schulen glaubte man sogar, dass Laozi das Dao selbst sei. Seine Existenz gehe dem Universum voraus und er gestalte die kosmische Ordnung. In manchen Inkarnationen sei Laozi  auch weiser kaiserlicher Berater.

Die „Drei Lehren“  befruchteten und ergänzen sich gegenseitig, sodass ein Kaiser der Ming-Dynastie sagte: „Die drei Lehren sind eins“. Auch im heutigen China, in dem die „Drei Lehren“ wieder einen Aufschwung erleben, kann man, wie vorher schon immer, zugleich Konfuzianer, Buddhist und Daoist sein. Man kann sie wie auch den Hinduismus als Erfahrungsreligionen einstufen, und nicht wie Judentum, Christentum und Islam als monotheistische Offenbarungsreligionen.

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Das Dao in Philosophie und Religion

Klaus Ehrenberger, Wien

Vor mir liegt das Inseltaschenbuch 2853: „ Lao-tse – Tao-te King“, das ich immer wieder zur Hand nehme. Was macht die Faszination dieser Sammlung von 81 Kurzkapiteln aus, die seit 2500 Jahren – bis heute ungebrochen – als Ausdruck chinesischen Fühlens und Denkens gilt und nach der Bibel die weitestverbreitete spirituelle Textsammlung ist ? Die Texte sind knapp, begrifflich unscharf, voller Widersprüche und dennoch liest man klare Aussagen heraus :

Tao, oder häufiger das Dao, ist ein absolutes, dimensionsloses, ewig unverändertes Naturgesetz und Ursprung des Universums. Es  ist namenlos, denn Namen grenzen ein: „Dao, das sagbar ist, ist  kein dauerndes Dao“

Erst mit der Enstehung der Welt braucht es Benennungen, um die Dinge zu ordnen. Das sagbare Dao unfasst die sichtbaren Wirkungen der Erscheinungswelt: „Namenlos ist der Beginn der Welt, namentragend die Mutter aller Dinge“

Namentragend sind zum Teil radikale Aussagen zu Philosophie, Lebenspraxis und Staatskunst:

* Mensch und Gesellschaft sollten den Lauf der Natur respektieren,

* das kosmische Prinzip einhalten und eine

* Gelassenheit gegenüber der unübersichtlichen Komplexität der Welt üben, die sich vielfach   einem verständlichen Ursache-Wirkungsprinzip entzieht.

*Diese Gelassenheit entspricht einer beobachtenden Demut, keiner Resignation.

* Allzuviel Wissen und Moral stören diesen Gleichmut!

Zen-Buddhisten widmen ihr Leben der Meditation und hoffen dadurch,  dereinstens „erleuchtet“, einen Blick in die Unendlichkeit des unsagbaren Dao werfen zu können.

Wer die Menschen kennt, ist weise; wer sich selber kennt, ist erleuchtet“

Erleuchtet bin ich sicherlich nicht, aber die lakonischen Texte des Lao-tse strahlen unerklärliche Ruhe aus. Je häufiger ich das Büchlein lese, desto vertrauter  werden mir die paradoxen Passagen: Ja, unsere Welt ist unverständlich, voller Widersprüche und Wunder, aber für den ruhigen und wachen Beobachter schön.

Auch Berthold Brecht war dem Tao-te king verfallen und schrieb ein langes , heiteres Gedicht über dessen Entstehungsgeschichte: „ Legende von der Enstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration“ Dieses Gedicht enthält einen der wichtigen Grundgedanken des Tao-te king im Vers Nr.5:

Doch der Mann in heitrer Regung
fragte noch: hat er was rausgekriegt?
Sprach der Knabe: dass das weiche Wasser in Bewegung
mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt!“

***

Ein ruhiges, gelassenes und trotz der vielen Weltprobleme wie Corona harmonisches und schönes Weihnachtsfest 2021 wünschen – auch im Sinne des Daoismus –

Klaus Ehrenberger, Wien und Helmut Schatz, Bochum

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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6 Antworten auf Der Daoismus und die „Drei Lehren“ in China

  1. Helmut Schatz sagt:

    Das Bahaitum, im Weihnachtsblogbeitrag im vorigen Jahr besprochen, ist ebenfalls eine Offenbarungsreligion, niedergelegt in ihren Heiligen Schriften.

  2. Arne Jensen sagt:

    Lieber Herr Schatz,

    seien Sie herzlichst bedankt für Ihre tiefschürfenden fachlichen und philosophischen Einsichten und Einordnungen, mit denen Sie uns seit Jahren bereichern!

    Mit allen guten Wünschen,

    Ihr

    Arne Jensen

  3. Helmut Schatz sagt:

    Danke, lieber Herr Jensen, für Ihr Lob!
    Ich gebe es weiter an unseren Wiener Kollegen Klaus Ehrenberger, von dem die Idee, Anregungen 0und der persönliche Teil des Artikels über den Daoismus stammen. Auch Ihnen schöne Feiertage! Helmut Schatz

  4. Helmut Schatz sagt:

    Ähnliches erlebte ich 1988 in Kyoto, wo ich an einem Internationalen Kongress teilnahm. Eine junge Japanerin mit Sturzhelm auf einem Motorrad kam zu einem Buddhisten-Tempel vorgefahren und schritt dann auf dem – bewusst knarrend konstruierten (?) – Boden andächtig vorbei an einer langen Reihe von etwa 20 Buddha-ähnlichen Statuen und stieg dann eine Treppe empor zum Tempeldach, wo sich ein Shintu-Tempel befand. Hier nahm sie den Sturzhelm und verharrte lange im Gebet.

  5. Helmut Schatz sagt:

    „Bodhisattva“-Statuen waren das.

  6. Helmut Schatz sagt:

    Bei einem meiner China-Besuche, noch vor unserer Wende, erlebte ich in einem Buddha-Tempel große Pilgerscharen. Viele opferten Geldscheine, die sie in das Tempelfeuer warfen, wo sie verbrannten.

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