Bochum, 9. März 2024:
Zur Eröffnung des 67. Kongresses der DGE vom 6.-8. März 2024 in Rostock hielt Prof. John Olov Jansson aus Göteborg die Plenary Lecture über: „Principles driving the appetite for energy: Evidence for the gravidostat theory and its implications“ (1). Hier soll nicht ins Detail eingegangen werden, sondern nur auf das Prinzip. Jansson schreibt (2): We propose that increased body weight activates a sensor dependent on osteocytes of the weight-bearing bones. This induces an afferent signal, which reduces body weight. These findings demonstrate a leptin-independent body weight homeostat („gravidostat“) that regulates fat mass. Leptin ist in den Mechanismus nicht involviert. In seinen neueren Studien identifiziert er aus ein aus den Osteozyten stammendes autonom-nervales Signal, das im Nucleus tractus solitarii (NTS) wirksam wird. Der NTS ist der einzige viszerosensorische Hirnnervenkern in der Rautengrube (Fossa rhomboidea) des Hirnstammes. Wird dieses Signal durch dort injiziertes, an Antikörper gebundenes Neurotoxin Saporin blockiert, so kann kein Ausgleich des Körpergewichts erfolgen. Die am Schluss seiner Lecture gezeigte Abbildung stellt das Prinzip dar, wiedergegeben in unserem DGE-Blog mit seiner Genehmigung:
CONCLUSION: Central effects of the gravidostat on body weight and food intake seem to require intact noradrenergic neurons in the NTS
Abbildung, linker Teil A: Pflanzt man Nagetieren intraperitoneal ein Gewicht ein, so nimmt das Fettgewebe des Tieres ab und es stellt sich das Gesamtgewicht des Körpers mit dem implantierten Gewicht nach etwa 2 Wochen wieder auf den ursprünglichen Zustand wie vor der Implantation ein.
Abbildung, rechter Teil B: Zur Untersuchung des pathophysiologischen Mechanismus injizierten Jansson et al. an Antikkörper gekoppeltes Saporin in den NTS, so dass die gewichtsabhängigen Signale aus den Osteozyten insbesondere der Extremitäten blockiert wurden und der Fettstoffwechsel nicht angepasst werden konnte. Die Nager behielten das durch die Implantation künstlich erhöhte Gesamtgewicht bei.
Am letzten Tag des Kongresses sprach Johannes W. Dietrich, St. Josef-Hospital Bochum – Universitätsklinik – über „Hungerstoffwechsel – thyreologische, diabetologische und systembiologische Perspektiven“ (2). Auch dieser Vortrag kann hier nicht im Detail besprochen werden, sondern es soll nur auf den Begriff „Ponderostat“ hingewiesen werden. Der Ponderostat wird für die Aufrechterhaltung des Körpergewichts schon lange diskutiert. Der Mechanismus erfolgt nicht über autonom-nervale Reize wie beim Gravidostaten, sondern über Corticosteroide, wie schon lange diskutiert wird. So wird der Ponderostat in einer Publikation von 1996 beschrieben, deren Abstract hier wiedergegeben wird (3):
In 1969, Hervey hypothesized the long-term stability of body weight is actually mediated through the regulation of blood steroid concentration. We suggest that glucocorticoids are the regulated variable the concentrations of which entails bodyweight stability. A descriptive model of this regulation is proposed. Because steroids are soluble in lipids, it follows that their concentrations in the body depend in part of the volume of lipids stored. Low fat stores increase the glucocorticoid concentration in the blood, and conversely high fat stores lower the glucocorticoid concentration. Body weight could thus be the end product of the glucocorticoid levels. The set-point for body weight would be adjusted by intracerebral CRH (3).
Weitere Mechanismen sind an der Gewichtsregulation beteiligt, z. B. Insulin, Inkretine, der Schilddrüsenstoffwechsel und Gallensäuren (die auch endokrine Effekte haben).
Helmut Schatz, Bochum
Literatur
(1) J.O. Jansson: Evidence for the gravidostat theory and ist implications.
Plenary Lecture, 67. Deutscher Kongress für Endokrinologie, Rostock, 6. März 2024.
(2) J.W. Dietrich: Hungerstoffwechsel – thyreologische, diabetologische und systembiologische Perspektiven.
67. Deutscher Kongress für Endokrinologie, Rostock, 8. März 2024.
(3) M. Cabanac, D. Richard: The nature of the ponderostat: Hervey’s hypothesis revived.
Appetite. 1996 Feb; 26(1): 45-54. doi: 10.1006/appe.1996.0004.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8660032/
Lieber Helmut,
ich dank Dir sehr dafür, daß Du dieses Thema noch einmal aufgegriffen hast. Vor dem Hintergrund, daß manche anorexigenen Peptide ossären Ursprungs sind, ist dies aus meiner Sicht auch nochmal interessant (z.Bsp. Lipocalin-2, s. Yang Y et al. J Diabetes 2023). Vielleicht bewirkt auf diese Weise ein Bewegungsmangel sowie die fehlende Beansprungung des Knochens relativ zu viel Appetit? Herzlich, HSW
Lieber Hokger, Glückwunsch zu Deinem Rostocker DGE-Kongress! Hat schon jemand Lipocalin-2 bei Couch Potatoes untersucht?