Bochum, 12. Juni 2014:
Bei Diabetespatienten unter Metformin wurde bei zusätzlicher Gabe von Insulin im Vergleich zu einer Kombination mit Sulfonylharnstoffen ein höheres Risiko von nicht-tödlichen kardiovaskulären Ereignissen und Gesamtmortalität gefunden (1). Die retrospektive Kohorte beruhte auf Datenbasen der National Veterans Health Administration, von Medicare und dem National Death Index. Die Studienpopulation umfasste ~180 000 Veteranen, die von 2001–2008 initial mit Metformin behandelt wurden. Später erhielten ~300 zusätzlich Insulin und ~12 000 Sulfonyharnstoffe. Die Daten wurden nach dem Propensity-Score analysiert und adjustiert.
Die Raten an akutem Myokardinfarkt und Schlaganfall waren nicht unterschiedlich (10.2 vs. 11.9 Ereignisse pro 1000 Personenjahre), wohl aber die Gesamtmortalität (p=0.001): Insulin vs. Sulfonylharnstoffe 33.7 vs. 22.7 Ereignisse pro 1000 Personenjahre (Abb. aus Lit. 1).
Kommentar
Mehrere grosse Studien hatten schon gezeigt, dass Insulintherapie das kardiovaskuläre Risiko nicht senkt und dass Insulin zusätzlich zu Metformin keinen kardiovaskulären Vorteil gegenüber Sulfonylharnstoffen bringt. Der Grund für den erhöhten Komposit-Endpunkt aus kardiovaskulären Erkrankungen und Gesamtmortalität muß offenbleiben. Die Auswertung der auf den Totenscheinen angegebenen Diagnosen, die freilich nicht sehr zuverlässig sind, läßt einen Anstieg der Krebsmortalität unter Insulin vermuten (aHR 1.85, CI 1.21-2.84). Die Erstautorin der Studie, Christiane Roumie (1) und auch die Verfasserin des dazugehörenden Editorials, Monika Safford von der Universität von Alabama in Birmingham enthielten sich aber jeglicher Schlussfolgerung. Dr. Safford empfahl, vor der Annahme einer krebsfördernden Insulinwirkung auf die anstehenden Analysen weiterer großer Datenbanken zu warten. Die seit längerer Zeit auf vielen Ebenen geführte kontroverse Diskussion „Frühzeitiger oder erst späterer Einsatz von Insulin?“ wird durch diese Publikation erneut angeregt.
Helmut Schatz
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Literatur
(1) Christiane L Roumie et al.: Association between intensification of metformin treatment with insulin vs sulfonylureas and cardiovascular events and all-cause mortality among patients with diabetes.
JAMA 2014. 311(22): 2288-2296. doi:10.1001/jama.2014.4312
(2) Monika M. Safford: Editorial: Comparative effectiveness research and outcomes of diabetes treatment. Doi:10.1001/jama.2014.4313.
http://media.jamanetwork.com
Eine sehr wichtige Information auch zum Wert der Kombination von Metformin mit SH. In dem Cochrane Review über orale Monotherapie des Typ 2 Diabetes (Hemmingsen B: Cochrane Rev 2013) hatten Sulfonylharnstoffe der 2. Generation eine geringere kardiovaksuläre Komplikationsrate als Metformin. Insofern auch hier eher eine Entwarnung für SH. Ausschlaggebend dafür waren die kardiovaskulären Ergebnisse der ADOPT-Studie (Kahn SE ADOPT. N Engl J Med 2006;355:2427-43). Allerdings schnitt Glipizid in einer kleinen chinesichen Studie bei kardiovaksulären Risikopatienten (Hong J: Diabetes Care 36:1304–1311, 2013) hinsichtlich CVD Komplikationen schlechter ab als Metformin.
Die Gefahren der Insulintherapie werden im Moment oft unterschätzt. In der oft zitierten Analyse von A. Holstein über die Zunahme von schweren Unterzuckerungen, war bei Patenten mit Diabetes Typ 2 nicht die SH-Therapie, sondern die intensive Insulintherapie die Ursache für die Zunahme schwerer Unterzuckerungen (Holstein A: Diabetes Care 35:972–975, 2012).