Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Langwirkendes Wachstumshormon, Medikamente zur Gewichtsabnahme und gegen Migräne sowie weitere Neuigkeiten beim D-A-CH – Kongress der Endokrinologen in München 2016


Bochum, 2. Juni 2016:

Auf dem gemeinsamen Kongress der deutschen, österreichischen und schweizerischen (D-A-CH -) Gesellschaften für Endokrinologie fand am 27. Mai 2016 ein Symposium über „Hormonprodukte der Zukunft“ (1) statt.

Im 1. Vortrag wurde von Frau Gili Hart ein neues, nur 1x wöchentlich zu applizierendes Wachstumshormonpräparat der Firmenkooperation von OPKO Biologics und Pfizer (MOD-4023) vorgestellt (1). Die verlängerte Wirkung wurde durch ein C-terminales Peptid aus 28 Aminosäuren(CTP) erzielt. Frau Hart berichtete, dass mit diesem CTP der Effekt eines jeden kurzwirkenden Peptids verlängert werden könne. CTP kann ohne einen „Linker“ an Wachstumshormon gekoppelt werden. Durch CTP hätte die Firma Merck & Co bereits ein nur einmal wöchentlich zu applizierendes FSH-Präparat hergestellt. Das langwirkende Wachstumshormonpräparat zeigte keine veränderte Immunogenität. Für Erwachsene ist es bereits in Phase III. Die Studie wird über ein Jahr laufen, 26 Wochen doppelblind und 26 Monate als open-label extension. In der  Pädiatrie wird es in Phase II bei  Wachstumshormon-defizienten Kindern getestet (CP-4-004). Man verspricht sich davon eine bessere Therapietreue (Compliance) als mit täglich zu injizierendem Wachstumshormonpräparaten.

Im zweiten Vortrag berichtete Axel Haupt über den derzeitigen Entwicklungsstand von IMAGINE, einem leberspezifischen Insulin, das seit Jahren unter dem Namen PEG-Lispro-Insulin bekannt ist und worüber im DGE-Blog mehrfach berichtet wurde. Wegen des Anstiegs der Transaminasen wurde die Weiterentwicklung nach Mitteilung der Firma Lilly vom 4. Dezember 2015 eingestellt. Auf die Frage des Referenten, wie Lilly darauf gekommen sei, ein zuerst sehr rasch wirkendes Insulin wie Lispro dann wiederum durch PEGylierung zu verzögern, konnte der bei Lilly in den USA tätige Autor keine Antwort geben und auf die weitere Frage, wie denn PEGyliertes humanes Normalinsulin wirkte, sagte er, wohl etwa gleich wie das PEGylierte Lispro.

Sebastian Schmidt trug über die Medikamente gegen Adipositas vor und konzentrierte sich dabei auf Liraglutid-3 mg  (Saxenda®)  und auf das sich in Entwicklung befindliche  GLP-1-Analogon Semaglutid, das in Phase III ist. Über beide Substanzen wurde in DGE-Blogbeiträgen bereits berichtet (2,3). Semaglutid wird als 1x wöchentlich zu injizierendes oder täglich oral zu gebendes Präparat geprüft. Beim oralen Präparat bedient man sich einer basischen Schutzhülle (SNAC) zur Resorptionsverstärkung. Mit beiden Applikationsformen erzielt man – ähnlich wie mit allen GLP-1-Analoga – Gewichtsreduktionen, so dass ein Einsatz von Semaglutid als Anti-Adipositum erwartet wird. Wie schon 2014 auf dem EASD-Kongress in Wien vorgestellt, erzielt man mit Saxenda® im ersten Jahr schöne Gewichtsverluste,  etwa um  8 kg. Wenn man  nicht unter 5% Gewichtsverlust kommt, wird man als „Non-Responder“ eingestuft und die Therapie soll beendet werden. Andererseits gibt es auch „Super-Responder“ mit Gewichtsverlusten um 15%.  Der Referent bemerkte nach dem Vortrag, dass man nach einem weiteren Jahr das ganze verlorene Gewicht wieder zunimmt, wie schon auf dem EASD-Kongress 2014 festgestellt wurde. Der Autor, Sebastian Schmidt, verwies auf noch fehlende Langzeiterfahrungen und meinte, man müsse auch prüfen, ob  eine Intervall-Therapie in Frage käme.

In weiteren Vorträgen berichterte Oliver Ebert über Antikörper-Blockade des Calcitonin Gene Related Peptide (CGRP) – Rezeptors als neuen Therapieansatz bei Migräne (Firma Amgen) und Martin Gerwe über neue Wege in der Net-Therapie und –Diagnostik

Kommentar

Das IFH-Symposium „Hormonprodukte der Zukunft“ war höchst informativ und in keiner Weise „firmenlastig“. Es ist zu wünschen, dass auch bei den nächsten Kongressen in gleicher Weise neutrale Berichte aus der Pipeline der Firmen gebracht werden. Dass manche Frage aus dem Auditorium nicht beantwortet wurde, da dies dem Autor firmenseitig nicht gestattet war, muss man bei der Konkurrenzsituation zwischen den Pharmaunternehmen wohl verstehen, wenn man sich auch oft mehr Informationen wünscht.

Helmut Schatz

Literatur
(1) Symposium des Industrieforums Hormone (IFH): Hormonprodukte der Zukunft: Neues aus der Forschung.
D-A-CH – Tagung der DGE, ÖGES und SGED, München, 27. Mai 2016

(2) Helmut Schatz: Update März 2015: Neue injizierbare und orale Antidiabetika.
DGE-Blogbeitrag vom 3. März 2015

(3) Helmut Schatz: Zwei Medikamente zur Behandlung der Adipositas in der Europäischen Union (EU) neu zugelassen.
DGE-Blogbeitrag vom 29. März 2015

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Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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2 Antworten auf Langwirkendes Wachstumshormon, Medikamente zur Gewichtsabnahme und gegen Migräne sowie weitere Neuigkeiten beim D-A-CH – Kongress der Endokrinologen in München 2016

  1. Emmi sagt:

    Kann man dem Wachstum der Kinder nicht auf andere Art nachhelfen? Es gibt doch für fast alles eine medikamentenfreie Schmerztherapie. Ein Freund war in der Völkerballrunde auch immer der letzte, der Gewählt wurde, weil er so klein geraten war.

  2. Helmut Schatz sagt:

    Nein, leider gibt es keine andere Methode. Wachstumshormongabe hat bei Kindern medizinisch nur einen Sinn, wenn es vermindert ist oder fehlt, was man durch genaue Teste prüfen muß. Fehlt es nicht und liegt auch keine andere Erkrankung vor, so wächst man, wie es genetisch bedingt ist. Man kann die Endgröße eines Kindes/Jugendlichen aus der Größe beider Elternteile grob berechnen, was die Kinder- und Jugendärzte bei solchen Fragen auch immer tun. Man muß bei diagnostiziertem Wachstumshormonmangel immer prüfen, ob überhaupt noch Wachstum möglich ist, also ob die Wachstumszonen an den langen Knochen noch nicht verkalkt sind, was in der Regel um die Pubertät erfolgt. Übrigens: Die Körpergröße ist eine Frage der Akzeptanz. In meiner jahrzehntelangen Praxis kamen die Mädchen immer, weil sie meinten, zu groß zu werden und die Jungen, weil sie fürchteten, zu klein zu bleiben. Das Gegenteil habe ich praktisch nie erlebt.

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