Bochum, 3. August 2018:
Am 30. Juli 2018 erschien im JAMA Intern. Med. online (1) ein Bericht über ein extrem seltenes, aber fast doppelt so häufiges Vorkommen von histologisch gesicherter, idiopathischer inflammatorischer Myositis (IIM), wenn ein Patient Statine – im Vergleich zu Menschen ohne Statine – eingenommen hatte. Dies wurde in einer bevölkerungsbezogenen Fall-Kontroll-Studie in Australien aus Datenbanken erhoben. Im Unterschied zu Myalgien und Rhabdomyolysen unter Statinen sind die IIM-Formen nach Absetzen der Medikamente nicht reversibel, sondern müssen immunsuppressiv behandelt werden (s.u.).
In der Südaustralischen Myositis-Datenbank wurden alle histologisch gesicherten IIM-Fälle von 1990 bis 2014 gesammelt und 221 Patienten gefunden. Davon gebrauchten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung 68 (30.8%) Statine. Unter den 662 gematchten Kontrollen aus der North West Adelaide Health Study (3:1 ratio) waren es 142 (21.l5%), p=0.005. (Adjustierte odds ratio 1.79; 95 CI, 1.23-2.60, p=0.001. Wurde die besondere IIM-Form einer nekrotisierenden Myositis ausgeschlossen , waren die Ergebnisse auch nicht unterschiedlich.
Kommentar
Unerwünschte muskuloskelettale Statin-Nebenwirkungen sind seit langem bekannt: Myalgien, auch ohne Kreatinkinase-Anstiege, werden in etwa 5% bis 25% berichtet, die seltenen Rhabvdomyolysen weisen eine Inzidenz von 0.4 pro 10.000 Personenjahre auf. Beide bilden sich wieder nach Absetzen der Statine zurück. Dies ist bei den IIM nicht der Fall. Dies sind sehr seltene, klinisch heterogene Autoimmunerkrankungen der Muskeln mit einer geschätzten Inzidenz von 0.1 bis 1.0 pro 100.000 Personenjahre. Ein Teil der IIM-Formen ist mit Statinen assoziiert: Diese weisen spezifische Antikörper gegen die Hydroxymethylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase auf, welche die nekrotisierende Myositis verursacht. Hier nützt ein Absetzen der Statine nichts und es müssen Immunsuppressiva gegeben werden.
Die vorliegende Studie von Gillian E. Caughey et al. hat den großen Vorteil, dass die Diagnosen alle durch Muskelbiopsien histologisch gesichert waren. Ein Nachteil ist, worauf Gregory Curfman in seiner Editor´s Note hinweist (2), dass die Statin-Exposition unterschiedlich erfasst wurde: Für die IIM-Fälle durch Aufzeichnungen in den Krankengeschichten, bei den Kontrollen durch die Verzeichnisse der Medikamentenabgabe. Dies könne zu Fehlklassifikationen geführt haben. Dennoch sei die vorliegende Arbeit, so Curfman, die zur Zeit beste, die verfügbar sei.
Der Erstautor Gillian E. Caughey äusserte sich zu den Ergebnissen mit den Worten: „We want to underscore the importance of people with appropriate risk levels to take their statins, but when patients present with muscle weakness or aches and pains, clinicians should be aware about the possibility of inflammatory myositis” (3). Wie immer in der Medizin gilt es, Nutzen und Risiko abzuwägen. Dies trifft natürlich auch für die Statine zu.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Gillian E. Caughey et al.: Association of statin exposure with histologically confirmed idiopathic inflammatory myositis in an Australian population.
JAMA Intern Med. Published online July 30, 2018. doi:10.1001/jamainternmed.2018.2859
(2) Gregory Curfman: Statin-associated myopathy – an elusive clinical problem. Editor´s Note – Less Is More.
JAMA Intern Med. Published online July 30, 2018. doi:10.1001/jamainternmed.2018.3128
(3) Fran Lowry: Statin use linked to idiopathic inflammatory myositis.
https://www.medscape.com/viewarticle/900021_print
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