Graz, 20. August 2015:
Im August 2015 erschienen wiederum zwei Arbeiten über Testosteron, welche die zur Zeit heftig diskutierte Frage eines möglicherweise schädigenden kardiovaskulären Einflusses behandeln.
1.) Bei älteren Männern ab dem 60. Lebensjahr mit erniedrigtem oder niedrig-normalem Testosteronspiegel fand man nach 3 Jahren Behandlung mit Testosteron-Gel gegenüber Plazebo keine beschleunigte Progression einer subklinischen Atherosklerose (1).
2.) Online erschien eine retrospektive Studie an US-Veteranen mit erniedrigten Ausgangsspiegeln von Testosteron (2). Veteranen, deren Hormonspiegel normalisiert werden konnte, wiesen gegenüber Personen mit ungenügender Testosteronsteigerung oder ohne Substitution weniger Herzinfarkte, Schlaganfälle und eine geringere Gesamtmortalität auf.
In der ersten, Plazebo-kontrollierten, randomisierten doppelblinden „TEAAM-Study“ (Testosterone Effects on Atherosclerosis Progressin in Aging Men) wurden 308 ältere Männer (=/>60 Jahre) aus 3 US-Zentren von Autoren aus Boston (1) prospektiv für 3 Jahre untersucht. Die Ausgangsspiegel an Gesamt-Testosteron lagen zwischen 100 und 400 ng/dl, an freiem Testosteron < 50pg/ml. 156 Männer erhielten 7.5g eines 1%igem Testosteron-Gels und 152 ein Plazebo-Gel. Primäres Outcome: Intima-Media-Dicke der Arteria carotis communis und koronares Kalzium (Agatstone- Einheiten). Sekundäre Outcome-Parameter: Sexualfunktion und gesundheitsbezogene Lebensqualität (QOL). Es fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen den 2 Gruppen für alle primären und sekundären Parameter. Unter Testosteron stiegen jedoch Hämatokrit und Prostata-spezifisches Antigen (PSA) signifikant an. Die zweite Arbeit untersuchte retrospektiv >80.000 männliche Veteranen mit dokumentiert erniedrigten Testosteronspiegeln. Wurde durch Hormongabe der Referenzbereich für Testosteron erreicht, so war das Outcome (Gesamtsterblichkeit -56%, Myokardinfarkt -24% und Schlaganfall -36%) gegenüber unbehandelten Veteranen signifikant günstiger. Die Daten für Testosterongabe mit ungenügendem Hormonanstieg lagen dazwischen. Als Erklärung für den günstigen kardiovaskulären Effekt einer Testosteron-Normalisierung diskutieren die Autoren einen positiven Einfluss auf die Zusammensetzung des Körperfetts, auf die Insulin-Sensitivität, die Blutfette, die Thrombozyten und die Inflammationsvorgänge.
Kommentar
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) hat in Blog-Beiträgen am 3.5.14, 25.5.14, 24.6.14 und 19.10.14 über die Problematik Testosteron und Herz-Kreislaufsystem berichtet. In der ersten hier besprochenen Studie wurden Surrogatparameter wie Intima-Media-Dicke und Kalkscore durch Testosteron nicht verändert. Auffallend war jedoch eine durchgehende numerische, wenn auch nicht signifikante Häufung kardiovaskulärer Ereignisse unter Testosteron vs. Plazebo: Herzinfarkt 3 vs. 2, koronare Revaskularisation: 5 vs. 2, Schlaganfall 3 vs. 0, kardiovaskulärer Tod: 1 vs. 0. Die Autoren führen aus, dass die Studie aber nicht für diese Ereignisse gepowert war. Nach der zweiten Arbeit sowie auch der im DGE-Blogbeitrag vom 25.5.2014 referierten Studie (3) könnte aber die Normalisierung eines dokumentiert erniedrigten Testosteronspiegels kardiovaskuläre Vorteile bringen. Dies wäre aber in einer prospektiven randomisierten , Plazebo-kontrollierten Interventionsstudie zu zeigen.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Shehzad Basaria et al.: Effects of testosterone administration for 3 years on subclinical atherosclerosis progression in older men with low or low-normal testosterone levels. A randomized clinical trial.
J Amer Med Assoc 2015. 314:570-581. doi:10.1001/jama.2015.8881
(2) Rishi Sharma et al.: Normalization of testosterone levels is associated with reduced incidence of myocardial infarction and mortality in men.
Eur Heart J online 6 August 2015. DOI: http://dx.doi.org/10.1093/eurheartj/ehv346
(3) Helmut Schatz: Testosteron-Therapie: Nach neuer Studie nun Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall?
DGE-Blogbeitrag vom 25. Mai 2014
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Es besteht kein Zweifel ,dass ein lege artis festgestellter Hypogonadismus unabhängig vom Lebensalter behandelt werden muss.
In den letzten Jahren hat sich Testosteron in USA aber zu einer Lifestyledroge entwickelt, die alten Männern neue Vitalität auf allen Ebenen verspricht .In vielen amerikanischen Grossstädten existieren
sogenannte „Low T“ Kliniken, die Männer mit Testosteron behandeln. In mehr als 40 % dieser Kliniken wird Testosteron aber noch nicht einmal gemessen.
Es wird deshalb höchste Zeit, dass ganz klar zwischen missbräuchlicher Anwendung von Testosteron und lebensnotwendiger Substitution unterschieden wird. Somit trifft die FDA mit der Forderung einer vernünftigen Studie zu Sinn und Unsinn einer der Testosterongabe eine längst überfällige Entscheidung.