Bochum, 17. November 2023
In einer Phase III- Studie (APOLLO-B Trial) blieb bei der Transthyretin-Amyloidose des Herzens mit Patisiran, welches durch RNA-Interferenz in der Leber die Transthyretin-Produktion hemmt, nach 12 Monaten die kardiale Funktion erhalten und der Score KCCQ-OS bessert sich (Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire-, verwendet statt des NYHA-Score).
Methode und Ergebnisse
In die multizentrische Studie wurden 360 Patienten eingeschlossen, von denen randomisiert und doppelblind 181 Patisiran und 179 Plazebo alle 3 Wochen 1x für 12 Monate erhielten. Der primäre Endpunkt war die Distanz im 6-min- Gehtest nach 12 Monaten: Die Gehdistanz nahm unter Patisiran im Vergleich zum Ausgangswert vor der Studie weniger ab als unter Plazebo (p=0.02), siehe Abbildung, Teil A, oben. Der erste sekundäre Endpunkt, das Ergebnis des KCCQ-OS (s.o.), fiel unter Patisiran höher aus, einen besseren Gesundheitsstatus anzeigend (Abbildung, mittlerer Teil B). Insgesamt ergaben sich für einen sekundären Komposit-Endpunkt (Tod jeglicher Ursache, kardiovaskuläre Ereignisse und Änderungen im 6 min – Gehtestes zur Basis) keine signifikanten Besserungen. Die untersuchten Endpunkte schlossen die Messung der Transthyretin-Spiegel im Serum ein: diese nahmen, wie die Abbildung im unteren Teil C zeigt, hochsignifikant ab.
Abbildung aus Lit. 1 (Mathew S. Maurer et al., NEJM 2023)
Kommentar
Transthyretin (TTR, Thyroxinbindendes Präalbumin TBPA) stellt das Transporteiweiss für das Schilddrüsenhormon im Blut dar. Es wird größtenteils in der Leber synthetisiert. Das Thyroxin bindet an dessen vier Einzelbausteine und stabilisiert es somit.
Erbliche oder erblich bedingte Transthyretin- / ATTR-Amyloidosen entstehen durch genetische Veränderungen der körpereigenen Eiweißkörper. Sie sind 10x seltener als die nicht-erblichen Leichtketten- / AL-) Amyloidosen. Auch bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen, häufig bei rheumatischen Erkrankungen oder auch chronisch infizierten Wunden oder chronischen Darm- und Lebererkrankungen kann eine AA- Amyloidose auftreten.
Für die Differenzialdiagnose einer kardialen Amyloidose ist die Endomyokardbiopsie der Goldstandard. Diese kann sicher zwischen ATTR-, AL- und AA-Amyloidosen differenzieren.
Bei einer ATTR-Amyloidose , wie sie in der referierten Publikation vorlag, kann die veränderte Struktur des ATTR nicht mehr im Blut gelöst werden. Durch Ablagerung des veränderten Transportproteins im Herzen tritt in über 90% der Fälle eine Kardiomyopathie auf. Überwiegend werden ältere Männer >65 Jahre befallen. Die Hälfte der Patienten weist bei der Diagnose Vorhofflimmern auf, etwa ein Drittel sind schon Schrittmacherträger.
Amyloidosen können auch mit anderen als kardialen Manifestationen wie etwa Spinalkanalstenosen oder Karpaltunnelsydrom auftreten.
Zur Therapie steht heue Tafamidis zur Verfügung (welches ein Teil der Patienten der hier referierten APOLLO-Studie auch schon vor Studieneinschluss erhalten hatte). Dieses bindet an das noch nicht fibrillös veränderte Transthyretin, stabilisiert es und verhindert so weitere Ablagerungen. Tafamidis ist seit 2011 in Deutschland zur Behandlung bei Frühformen einer ATTR-Amyloidose mit beginnenden Nervenschäden (Polyneuropathien) oder anderen Symptomen zugelassen und steht in Tablettenform zur Verfügung (Handelsname: Vyndaqel®).
Klinisch war vor dem hier referierten APOLLO-B Trial mit Patisiran (1) mit Tafamidid im ATTR-ACT-Trial (2) die Erkrankung mit einer Reduktion der Gesamtmortalität und Hospitalisation aus kardiovaskulärer Ursache nach 30 Monaten assoziiert, allerdings nahmen die Leistungsfähigkeit und die Lebenqualität weiter ab. Insofern würde Patisiran, sollte es zugelassen werden, eine Bereicherung des therapeutischen Repertoires darstellen.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Mathews S. Maurer et al.: Patisiran treatment in patients with transthyretion cardiac amyloidosis.
New Engl J Med 2023. 389:1553-15656
(2) Mathew S. Maurer et al.: Tafamidis treatment for patients with transthyretin amyloid cardiomyopathy.
N Engl J Med 2018. 379:1007-1016
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