Bochum, 26. Januar 2013: Im Journal der Amerikanischen Medizinischen Gesellschaft (JAMA) erschien am 9. Januar eine Studie, die ergeben hatte, dass eine zweijährige Vitamin D-Supplementierung die Progression einer symptomatischen Kniegelenksarthrose („osteoarthritis“) nicht verzögern kann (1).
In der Doppelblindstudie über 2 Jahre an 146 Patienten mit Arthrose des Kniegelenks gaben T. McAlindon et al. von der Rheumatologischen Abteilung des Tufts Medical Center in Boston, Massachusetts einer Hälfte der Patienten 2000 IE Vitamin D pro Tag, mit Dosissteigerung bis zu einem Vitamin D – Spiegel von >36 ng/ml, die andere erhielt ein Placebo. Als primäres Maß für einen Therapieerfolg dienten die Western Ontario and McMaster Universities (WOMAC)-Schmerz-Skala und das kernspintomographisch bestimmte Knorpelvolumen. Sekundäre Parameter waren Funktionsmeßwerte, die Knorpeldicke und die radiologische Gelenkspaltweite.
Nach 2 Jahren fand sich für keinen dieser Werte ein signifikanter Unterschied, obwohl die Verum-Gruppe einen Anstieg des 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegels im Serum um 16.1 ng/ml, die Placebogruppe nur um 2.1 ng/ml gezeigt hatte (1).
Kommentar des Referenten:
Die Studie ging von zwei Prämissen aus: Der in Interventionsstudien gesicherte Nutzen von Vitamin D für die Knochengesundheit könnte sich auch bei der Arthrose auswirken, da es bei ihr auch zu lokalen Knochenveränderungen kommen kann. Zweitens war in einigen, wenn auch nicht allen Observationsstudien eine Assoziation zwischen dem Vitamin D-Spiegel und der Progression einer Arthrose beobachtet worden. Man muss natürlich diskutieren, dass bei einer bereits etablierten, schon symptomatischen Kniegelenksarthrose, also nach oft langem Verlauf, eine zweijährige Vitamin D-Gabe nur mehr wenig oder keinen Nutzen bringen könnte. Ähnlich äußerte sich auch M.F. Holick von der Boston University School of Medicine in Massachusetts. Er meine dann, „dass die Framingham-Daten über eine Assoziation von niedrigem Vitamin D und einem erhöhten Arthrose-Risiko wichtiger seien als die Resultate dieser Studie“ und plädierte dafür, dass „jedermann seinen Vitamin-D-Status anheben solle, um chronische Erkrankungen einschließlich der Arthrose zu reduzieren“ (2). Damit landen wir wieder bei den Assoziationsstudien. Dass in der „Leiden Longevity Study“ die Nachkommen von 90-100 Jährigen nicht höhere, sondern signifikant niedrigere Vitamin D-Spiegel hatten als deren Partner, die nicht alle von Höchstbetagten abstammten (3), widerspricht dieser generellen, großteils nicht auf Interventionsstudien beruhenden Empfehlung von Holick. In den Blog-Beiträgen der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie des letzten Jahres wird noch über mehrere Interventionsstudien mit Vitamin D berichtet, die alle keinen Nutzen bei Erkrankungen ergaben, für die man auf Grund von Assoziationsstudien einen positiven Effekt angenommen hatte. Man darf gespannt die Resultate der VIDAL- und VITAL-Studie über einen möglichen kardiovaskulären Nutzen von Vitamin D im Jahre 2016 abwarten (4).
Helmut Schatz
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Literatur:
(1) T.McAlindon et al.: J Amer Med Assoc (JAMA). 2013; 309:155-162
(2) M.F. Holick, in: Vitamin D Supplements Fail to Slow Knee Osteoarthritis.
Medscape. Jan 16, 2013
(3) Helmut Schatz: Vitamin D-Spiegel bei familiärer Langlebigkeit niedriger als bei Kontrollen.
DGE-Blog-Beitrag vom 3. Januar 2013
(4) Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Wirkung einer Vitamin D-Gabe nur bei bestimmten Personengruppen und Patienten gesichert.
Pressemitteilung vom 25. Januar 2012
Vitamin D – der Mythos als „Allheilmittel“ beginnt zu bröckeln !
Wenn Holick sagt, wie Helmut Schatz schreibt, dass man besser nicht die negativen Resultate der Interventionsstudie mit Vitamin D bei Arthrose betrachten solle, sondern die in der Framinghamstudie gefundene Assoziation zwischen Arthrose und niedrigem Vitamin D – Spiegel, so kommt einem die uralte Problematik „Anzahl der Störche und Geburtenrate“ in den Sinn. Eine Assoziation bedeutet keine Kausalität. Ohne die von Holick zitierten Framingham-Daten im Detail zu kennen, fragt sich der Unbefangene, ob nicht Personen mit beginnender Arthrose und/oder die Arthrose förderndem Übergewicht weniger ins Freie gegangen sind und gehen. Oder sind solche Einflussfaktoren berücksichtigt worden? Allein schon dadurch könnten nämlich Arthose-Patienten niedrigere Vitamin D – Spiegel aufweisen als mobilere bzw. nicht so dicke Menschen. Ein prominentes Mitglied der DGE und Kenner der Materie äußerte in diesem Zusammenhang über Vitamin D: „Der Mythos bröckelt jetzt etwas….“