Bochum, 1. Februar 2015:
Am 30. Januar 2015 starb in San Francisco der in Wien geborene Chemiker Carl Djerassi im Alter von 91 Jahren an einem metastasierten Karzinom. Anfang der 1950er Jahre synthetisierte er als Forscher der Syntex S.A. in Mexiko-Stadt zusammen mit Luis E. Miramontes das Norethisteron (1). Ausgangspunkt dafür war eines von drei natürlichen Steroiden aus der Wurzel des Mexican Wild Yam, einer Pflanze, die schon seit Jahrhunderten von den Indianern bei verschiedenen Frauenleiden und auch zur Schwangerschaftsverhütung angewendet wurde. Das künstliche Gestagen Norethisteron bildete für den Physiologen Gregory Pincus und den Gynäkologen John Rock die Grundlage für die erste Antibaby-Pille „Envoid“, die 1960 von der FDA zur Geburtenkontrolle approbiert wurde. Carl Djerassi war seit 1959 Inhaber einer Professor an der Stanford University. Die deutsche Feministin Alice Schwarzer äußerte sich zu ihm folgendermaßen: „Djerassi verdient ein Denkmal. Die Pille ist ein Meilenstein in der Geschichte der Emanzipation von Frauen“. Djerassi lehnte den Begriff „Anti-Baby-Pille“ ab. Denn das Hormonpräparat richte sich nicht gegen Kinder, sondern sei ein Mittel „für die Frauen“, wie er sagte.
Seit Mitte der 1980er Jahre verfasste Djerassi Kurzgeschichten, Lyrik, Bühnenstücke und begründete die literarischer Romanform „Science in fiction“. Er schrieb viele Bücher, unter anderem „Cantor´s Dilemma“ und „Vier Juden auf dem Parnass“. Er selbst nannte sich „intellektuell polygam“. Eingehend setzte er sich mit dem Judentum auseinander und beleuchtete kritisch den Wissenschaftsbetrieb. „Chemiker sind Machos, die Forschung im Labor betreiben und nicht kapieren, dass Literatur viel schwieriger ist. Da bin ich total allein. Ich habe da niemanden, aber ich kann auch niemanden brauchen“, äußerte er 2008 in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Djerassi förderte viele junge Künstler und sammelte Kunstwerke, insbesondere von Paul Klee.
Während des 49. Symposiums der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie vom 9.-12. März 2005 in Münster begeisterte Carl Djerassi die Zuhörer in seinem Plenarvortrag zum Thema „Sex im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit“. Es fand als „Dramatisches Wortgefecht für zwei Stimmen“ zwischen ihm und der Regisseurin Isabella Gregor aus Wien statt (2). Allen Anwesenden im Saal wird dieses Kongress-Highlight in Erinnerung bleiben.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie gedenkt seiner in Dankbarkeit.
Helmut Schatz
Literatur
(1) C.Djerassi: Steroid oral contraceptives. Science 1966. 15:1055-1061
(2) Endokrinologie Informationen 29. Jahrgang, Heft 4/2005, Seite 79-80
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