Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Die großen Diabetes-Outcome Studien: Bias durch eine bessere Blutzuckereinstellung in den Verum- als in den Kontrollgruppen?


Bochum, 18. Januar 2020:

In den großen kardiovaskulären Outcome – Studien, die von der Food and Drug Administration (FDA) der USA seit den negativen kardiovaskulären Resultaten mit Muraglitazar und Rosiglitazon gefordert werden, erreichten alle Verumgruppen ein besseres HbA1c als die Plazebo-Gruppen. Und dies, obwohl zum Plazebo zusätzlich Antidiabetika gemäß den lokalen Leitlinien so gegeben werden sollten, dass ein etwa gleicher Blutzuckerspiegel wie mit dem Verum  erreicht wird. Die Arbeit wurde am 18. November 2019 online publiziert (1).

Die 12 Studiennamen sowie den jeweiligen generischen Namen des Verums und dessen Wirkstoffklasse zeigt die der linke Teil der Tabelle: Vier DPP-4-Hemmer, fünf GLP-1-Analoga und drei SGLT2-Hemmer. In keiner Studie wurde ein in etwa gleicher HbA1c-Wert erreicht. (rechter Teil der Tabelle ). Der HbA1c– Wert lag in den Verumgruppen durchweg niedriger als unter Plazebo trotz zusätzlicher Gabe weiterer Antidiabetika. Der HbA1c-Unterschied  betrug  zwischen  0.27% (bei ELIXA) und 1.0% (in SUSTAIN-6).

Tabelle (aus Lit. 1)  für die kardiovaskulären Endpunkte (MACE-4 oder MACE-3). RR, 95% CI  (NA:  Data Not Available, P: Placebo)

Die stärksten Imbalancen im HbA1c zwischen Verum und Plazebo bestanden bei HARMONY (0.63%) und SUSTAIN-6 (1.00%). In diesen beiden Studien errechnete sich auch das niedrigste relative Risiko (RR) für den primären kardiovaskulären Endpunkt (gelb markiert, siehe den rechten Teil der Tabelle).

Es wurden auch die Auswirkungen der neuen Antidiabetika auf Diabeteskomplikationen wie  Nephropathie und Retinopathie evaluiert. Für die Nephropathie  bestanden in den Studien unterschiedliche Endpunkte (Ausmaß von  glomerulärer Filtrationsrate und (Mikro-)Albuminurie). Insgesamt  ergab sich kein einheitliches Bild. Die Neuropathie wurde nur in 1 Studie (EXSCEL) untersucht, in der sich kein Unterschied fand.

Kommentar

Eingangs soll, wie von den Autoren selbst darauf hingewiesen werden, dass die großen Outcome-Studien von der FDA gefordert wurden, um kardiovaskuläre Nachteile wie mit  Muriglitazar und Rosiglitazon auszuschließen. Wenn jetzt in den  Plazebogruppen ein schlechterer HbA1c-Wert sowie ein -wenn auch nur gering-  höherer Blutdruck  als in  den Verumgruppen vorgelegen hat und auch der Diuretikaeinsatz  z.T. unterschiedlich war,  so könnte zumindest für manche der neuen Substanzen eine kardiovaskuläre Sicherheit nicht  eindeutig belegt sein (wenn dies auch dem Referenten (H.S.) als wenig wahrscheinlich erscheint).

Am  15. Januar 2020   erschien bei Medscape über die oben referierte Studie ein Artikel (2), für welchen mehrere Fachleute interviewt wurden: Eine Re-Evaluierung der großen Outcome-Studien sei erforderlich. Es müsse das Ungleichgewicht im HbA1c berücksichtigt werden, so der Seniorautor Masayuki Ikeda vom Kagawa Universitätshospital. Der Endokrinologe Simeon Taylor von Baltimore hatte dies schon 2018 postuliert. Zusammen mit dem  Nephrologen  Bruce R. Leslie von Princeton, New Jersey wies Taylor darauf hin, dass auch Imbalancen im Blutdruck zwischen den Verum- und Plazebogruppen bestünden.   Imbalancen  und ein unterschiedlicher Diuretikagebrauch fanden sich auch in den Studien über den Effekt von SGLT2-Hemmern auf die Nierenfunktion und die Herzinsuffizienz einschließlich der noch nicht in die referierte Arbeit eingeschlossenen neuen Studien CREDENCE und DAPA-HF. Silvio Inzucchi  bezeichnete die Unterschiede  in der Blutzucker- und Blutdruckeinstellung jedoch als nur „subtle“ und meinte, diese könnten wohl  auf das kardiovaskuläre Endresultat keinen Einfluss gehabt haben.

Die neuen Substanzen  werden  – auch  über den Diabetes hinaus, etwa bei Herzinsuffizienz  von  Nichtdiabetikern (siehe Lit. 3, DGE-Blog vom 2. Dezember 2019 ) –  untersucht bzw. beworben. Nicht immer werden die Ärzte von den Pharmaberatern darauf hingewiesen, dass die neuen Antidiabetika bisher meist  nur bei kardiovaskulären (Hoch-)Risikopatienten untersucht wurden. Der Praktiker wird gewiss hellhörig werden, wenn er diese Arbeit mit der genauen Analyse der 12 großen Studien liest  und vielleicht doch etwas weniger enthusiastisch bevorzugt die neuen Substanzen einsetzen.

David Matthews aus Oxford hielt übrigens vor Jahren auf einem Kongress der Europäischen Diabetesgesellschaft einen Vortrag über Antidiabetika und zitierte zum Schluss Shakespeare:

„The wise man grasps the new, it should be tried.
But fool is he, in haste, who lays the old aside”.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Rumiko Shimazawa, Masayuki Ikeda: Imbalance in glycemic control between the treatment and placebo groups in cardiovascular outcome trials in type 2 diabetes.
J. Pharm. Policy Pract. published online November 18, 2019.

(2) Miriam E. Tucker: Have the blockbuster diabetes drug trials been biased?
https://www.medscape.com/viewarticle/923813_print…

(3) Helmut Schatz: Dapagliflozin bei Herzinsuffizienz – auch bei Nicht-Diabetespatienten?
DGE-Blogbeitrag vom 2. Dezember 2019

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One Response to Die großen Diabetes-Outcome Studien: Bias durch eine bessere Blutzuckereinstellung in den Verum- als in den Kontrollgruppen?

  1. Triebel says:

    Und wievile Studien, die nicht das gewünschte Ergebnis brachten, wurden durchgeführt aber nicht veröffentlicht?

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