Bochum, 4. Juni 2014
Im Juni-Heft der Zeitschrift „Pediatrics“ (1) fordert das Council of Environmental Health der American Academy of Pediatrics eine bessere Versorgung schwangerer und stillender Frauen mit Jod. Nur 15% der schwangeren und stillenden amerikanischen Frauen würden bei grenzwertigem Jodmangel in den USA das auch von der American Thyroid Association empfohlene Jod zuführen. Es werden Mängel der Behörden in der Kennzeichnung des Jodgehaltes von Nahrungsmitteln kritisiert. Andere Stoffe aus der Umwelt hingegen wie die schädlichen Nitrate, Thiozyanate und Perchlorate sollen vermieden werden.
Das Positionspapier führt eingangs die Folgen eines schweren Joddefizits wie Kretinismus und die eines milderen Mangels für die geistige Kindesentwicklung an. Darauf hat auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie in einem Blogbeitrag hingewiesen (2). Der frühere Kropfgürtel („goiter belt“) der USA zufolge eines endemischen Jodmangels sei durch die Jodierung von Kochsalz ab dem Jahre 1924 fast verschwunden. Von 1970 – 1990 nahmen die Kröpfe aber wieder zu. Etwa ein Drittel der schwangeren Amerikanerinnen hätte heute ein grenzwertiges Joddefizit. Die American Thyroid Association and die National Academy of Sciences empfehlen stillenden Frauen eine täglich Jodzufuhr von mindestens 290 Mikrogramm Jodid. Obwohl die meisten schwangeren und stillenden Frauen in den USA „Supplemente“ zu sich nehmen, würden diese nur in 15-20% Jod enthalten, und das oft in ungenügender Menge. Für die bei diesen Frauen nötige Jodzufuhr durch Nahrung und Supplemente zusammen wird ein Bereich von 290 und 1100 Mikrogramm Jodid pro Tag angegeben (1). Werdende und stillende Mütter, die Veganerinnen sind und keine Milchprodukte oder Fische essen, sollten als erstes auf jeden Fall die Jodausscheidung im Urin testen lassen.
Meiden sollten werdende und stillende Mütter hingegen Nitrate, welche den Jodtransport hemmen können. Nitrate stammen meist aus dem Trinkwasser, wenn dieses nicht von der in der Regel gut überwachten öffentlichen Wasserversorung, sondern aus privaten Wasserquellen wie etwa Hausbrunnen kommt. Aktives und passives Rauchen sind Thiozyanatquellen, Perchlorate werden industriell freigesetzt, kommen aber auch natürlich in Trockenregionen wie im Südwesten der USA vor. Perchlorate hemmen kompetitiv die Jodaufnahme und bewirken in hohen Dosen eine Schilddrüsenfunktionsabnahme.
Kommentar
Die Jodversorgung in den USA ähnelt der in Deutschland: Dieses war bis in die 1970er Jahre ein Jodmangelgebiet, dann wurde dies durch die in Deutschland auf dem Freiwilligkeitsprinzip beruhende Jodsalzprophylaxe behoben. Seit dem Jahre 2000 droht bei uns aber wieder ein Jodmangel, einerseits durch eine „Jodmüdigkeit“ bis zu einer „Jodgegnerschaft“, andererseits dadurch, dass die grossen Supermarktketten für ihre (Halb-) Fertigprodukte kein Jodsalz verwenden, da sie für viele europäischen Länder produzieren, in denen unterschiedliche Vorschriften zur Jodierung existieren (3,4).
Private Trinkwasserquellen mit dem Risiko einer Nitratüberladung kommen auch bei uns vor, insbesondere in wenig besiedelten Bergregionen oder Ebenen, wenn wohl auch nicht so häufig wie in den weiten Landstrichen der USA. Dass Rauchen schädlich ist, wird auch bei uns allgemein akzeptiert. Und die thyreostatische Wirkung von Perchloraten ist jedem Arzt geläufig. Vor einigen Jahrzehnten hat man damit Hyperthyreosen behandelt. Man kann Perchlorat auch zu Testzwecken („Perchlorat-Discharge-Test“) einsetzen und man kann es zur Schilddrüsenblockade etwa vor Szintigrammen geben. Man hat es deshalb auch vor Applikation jodhaltiger Kontrastmittel eingesetzt.
Helmut Schatz
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Literatur
(1) American Academy of Pediatrics, Council on Environmental Health: Iodine deficiency, pollutant chemicals, and the thyroid: New information on an old problem.
Pediatrics 2014. 133:1163-1167
(2) H. Schatz: Intrauteriner Jodmangel: Gibt es seine Fürsorgepflicht für Neugeborene und Kinder?
DGE-Blogbeitrag vom 16. April 2014
(3) H. Schatz: Jodversorgung in Deutschland wird schlechter: Ergebnisse der DONALD-Studie an Kindern von 1996-2009.
DEG-Blogbeitrag vom 6. März 2013
(4) J. Gromoll et al.: Fehlinformationen zur Jodversorgung gefährden Gesundheit. Geschürte „Jodangst“ führt langfristig zu Jodmangelepidemie.
Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
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