Bochum, 10. August 2016:
Wohl als Reaktion auf die im DGE-Blogbeitrag vom 3. August 2016 besprochene Metaanalyse von Mente et al. (1) bringt das New England Journal of Medicine in seinem „Sounding Board“ einen Artikel (2), welcher sich mit dem Problem beschäftigt, ob die Assoziationen, die in der schon am 20. Mai 2016 im Lancet online publizierten Metaanalyse (1) aufgezeigt wurden, kausal sind oder nicht. Ausführlich wird die Frage behandelt:
Bewirkt niedrige Natriumaufnahme kardiovaskuläre Erkrankungen?
Zur Beantwortung wurden die klassischen Kriterien nach Hill herangezogen, ob eine beobachtete Assoziation kausal ist. Abbildung 1 ( aus Lit.2) listet diese Kriterien auf.
Jeder dieser Punkte wird in der Arbeit detailliert besprochen. Auf Grund der Hill-Kriterien wird die Schlussfolgerung gezogen, dass die aufgezeigten Assoziationen nicht kausal seien.
Als wicxhtiger Grund wird angeführt, dass die Messungen entscheidend seien: Die Erfassung der durchschnittlichen Natriumaufnahme einer Population sei weit weniger fehlerbehaftet als Mittelwerte von Messergebnissen bei einzelnen Individuen mit ihren Tag-zu-Tag – Variationen. Die Evidenz aus prospektiven Kohortenstudien sei aussagekräftiger als die von Observationsstudien, auch wenn diese eine grosse Zahl von Individuen erfassten, die Messergebnisse aber unzuverlässig seien. Prospektiven Kohortenstudien zeigten aber einen linearen, von der Natriumaufnahme abhängigen Effekt auf den Blutdruck und dass Natriumreduktion das kardiovaskuläre Risiko mindere.
Kommentar
Lässt man diese methodologischen Gesichtspunkte einmal beiseite, so ist sowohl für amerikanische Verhältnisse als auch für Deutschland auf Grund der für die Bevölkerung ermittelten Zahlen der täglichen Kochsalzzufuhr und damit der Natriumaufnahme festzustellen: Eine potenzielle Gefahr, durch eine zu geringe Natriumaufnahme Schaden zu nehmen, existiert wohl kaum, sei sie nun realistisch oder nicht. Der grösste Salzanteil findet sich schon in den fertig gekauften Lebensmitteln, die im Kommentar zum Blogbeitrag vom 3. August 2016 (3) für Deutschland genannt wurden. Für die USA beschäftigt sich die Publikation des Institute of Medicine (IOM) von 2010 mit diesen Fragen (4). Die im Haushalt eingesetzten (Zusalz-)Mengen gingen in den letzten Jahrzehnten zwar ständig zurück, diese fallen aber gesamtmengenmässig nicht sonderlich ins Gewicht.
Helmut Schatz
Literatur
Andrew Mente et al.: Associations of urinary sodium excretion with cardiovascular events in individuals with and without hypertension – a pooled analysis of data from four studies.
Lancet 2016 May 20 (Epub ahead of print)
Mary E. Cogswell et al.: Dietary sodium and cardiovascular disease risk – measurement matters.
Sounding Board New Engl J Med 11 August 2016. 375(6): 580-586
Helmut Schatz: Ein Dogma wird in Frage gestellt: Keine Erhöhung des Herzkreislauf-Risikos durch zuviel Kochsalz bei normalem Blutdruck, wohl aber bei zuwenig Salz.
DGE-Blogbeitrag vom 3. August 2016
Institute of Medicine: Strategies to reduce sodium intake in the United States.
Washington, DC: National Academies Press, 2010
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