Bochum, 20. Mai 2019:
Im DGE-Blog wurde mehrfach über die Therapie mit rekombinanten Parathormon (rhPTH(1-84), Natpar®, Natpara™ ) zusätzlich zu prozessiertem Vitamin D und Kalzium berichtet (1-4). Die Kommentare der Leser einschließlich der von Angehörigen der Selbsthilfegruppen waren recht kontrovers. Jetzt wurden auf ENDO 2019, dem Kongress der Endocrine Society am 26. März 2019 in New Orleans von John P. Bilezikian, Columbia Universität New York, die Resultate der open-label-extension RACE Study über 6 Jahre vorgetragen (5). 49 Patienten der REPLACE-Studie und anderer Phase III-Studien aus 12 US-Zentren wurden 6 Jahre lang nachverfolgt. Bilezikian berichtete über die Ergebnisse von 34 Patienten, welche in der Studie verblieben waren bzw. deren Resultate nach 72 Monaten vorlagen.
Neues Ergebnis der RACE Study war, dass jetzt eine erhöhte Kalziumausscheidung im Urin unter zusätzlichem rhPTH(1-84) absank, was nach den 26 Wochen der Phase III – Studien nicht beobachtet wurde. Die Dosis des benötigtem Vitamin D und von Kalzium nahm ab.
Die meisten Patienten berichteten über Nebenwirkungen wie Übelkeit, Hyperkalzämie, Hypokalzämie u.a.. Bei einem Viertel der Patienten traten ernste Nebenwirkungen auf, die möglicherweise nicht alle von Natpar® stammten. Bilezikian sagte dazu: „No safety concerns were identified“ und die Autoren schlussfolgerten: „Continuous use of rhPTH(1-84) over 6 years resulted in a favourable safety profile, was effective, and improved key measurements of mineral homeostasis, notably normalisation of urinary calcium”.
Kommentar
Die Moderatorin der Sitzung, Suzanne Marie Jan De Beur von der John Hopkins University Baltimore kommentierte: „One of the main shortfalls of conventional therapy is that you get hypercalciuria and that can be damaging to the kidneys” (6).
Für einige Patienten mag die zusätzliche Gabe von rhPTH(1-84) von Vorteil sein, der Großteil wird aber mit der herkömmlichen Therapie mit prozessiertem Vitamin D und Kalzium, die ohne die vielen beobachteten Nebenwirkungen ist, nach Ansicht des Referenten ausreichend sein. Er selbst behandelt in seiner Praxis so wie schon bisher auch seine Patienten problemlos mit Vitamin D und Kalzium; Nierenprobleme hat er nie gesehen. In Heidelberg wurden 33 Patienten mit postoperativem Hypoparathyreoidismus unter Vitamin D und Calcium 15.9 +/- 9.4 Jahre lang nachbeobachtet; auch die Nieren wurden regelmäßig sonographisch untersucht (7). Die RACE Study, eine open-label extension – Untersuchung lief nur über 6 Jahre. Um zu zeigen, dass die zusätzliche Gabe von rhPTH(1-84) auf Dauer die Nieren besser schützt als die bisherige Therapie nur mit Vitamin D und Calcium bedarf es einer längerfristigen randomisierten doppelblinden Vergleichsstudie.
Bitte geben Sie Ihre Kommentare und Erfahrungen zu diesem Thema ab. Diese sollen aber nicht identisch sein mit den bisher schon geposteten zu den vier DGE-Blogs zu diesem Thema (Lit. 1-4).
Helmut Schatz
Literatur
Literatur
(1) Helmut Schatz: Parathormon zur Therapie eines Hypoparathyreoidismus?
DGE-Blogbeitrag vom 8. Mai 2013
(2) Helmut Schatz: Neue Ergebnisse über Parathormon zur Behandlung eines Hypoparathyreoidismus.
DGE-Blogbeitrag vom 12. Mai 2014
(3) Helmut Schatz: Rekombinantes humanes Parathormon (Natpar®) jetzt auch zur Zulassung in der Europäischen Union für die Behandlung bei chronischem Hypoparathyreoidismus empfohlen.
DGE-Blogbeitrag vom 14. März 2017
(4) Helmut Schatz: Parathormon zur Therapie des Hypoparathyreoidismus – was sagen die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Endokrinologie?
DGE-Blogbeitrag vom 5. August 2017
(5) John P. Bilkezikian et al.: Vortrag am 26. März 2019 auf ENDO 2019. Abstract OR30-1
(6) Suzanne Marie Jan De Beur, in: Parathyroid hormone replacement effective, safe long-term.
https://www.medscape.com/viewarticle/911357_print
(7) C. Leidig-Bruckner, T Bruckner, F. Raue und K. Frank-Raue: Long-term follow-up and treatment of postoperative permanent hypoparathyroidism in patients with medullary thyroid carcinoma: differences in complete and partial disease.
Horm. Metab. Res. 2016. 48:806-813
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Neulich hat Frau Gafni vom NIH im New England Journal of Medicine (2019, 380:1738) nochmals den Hypoparathyreoidismus beleuchtet. Was ich interessant fand war, dass Sie auf eine eigene Publikation (J Bone Miner Res 2018, 33:1741) verwies, in der Sie eine reduzierte Citrat Ausscheidung im Urin unter Therapie mit Parathormon berichtete. Da Citrat mitverantwortlich für die Löslichkeit von Calcium ist, könnte es zwar unter PHT Therapie zu einem Rückgang der Calciumausscheidung kommen, durch einen gleichzeitigen sogar stärkeren Rückgang der Citratausscheidung wäre die Löslichkeit aber schlechter. In dieser Arbeit wurde das 1-34 PTH untersucht. Es wäre wichtig zu wissen, ob dies auch für das 1-84 PHT gilt. Wenn dem so wäre, könnte die Calciumauscheidung im Urin evtl. nur ein Surrogatparameter sein und Studien zur Langzeiteffekten auf die Nierenfunktion wären zu fordern.
Da Citrat mitverantwortlich für die Löslichkeit von Calcium ist, könnte es zwar unter PHT Therapie zu einem Rückgang der Calciumausscheidung kommen, durch einen gleichzeitigen sogar stärkeren Rückgang der Citratausscheidung wäre die Löslichkeit aber schlechter. In dieser Arbeit wurde das 1-34 PTH untersucht.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bitte um Ihre fachliche Einschätzung bezüglich eines geäußerten V. a. Hypoparathyreoidismus (Z. n. Hyperparathyreoidismus + Entfernung eines Epithelkörperchens vor 8 Jahren) bei folgenden Werten:
Parathormon 3,6 (1,2-7,1)
Kalzium 2,14 (2,08-2,6)
Phosphat 1,23 (0,78-1,6)
Ist hier ein Medikationsversuch über 4 Wochen mit Osteotriol 0,25µg ebenso anzuraten oder haben Sie Bedenken?
Vielen Dank im Voraus und bitte entschuldigen Sie das verfehlte Thema.
Freundliche Grüße
Wenn ein Patient von mir solche Werte hcat, so müsste ich ihm sagen, dass Nebenschilddrüsenfunktion und Calciumhaushalt in Ordnung sind. Sollte er aber Karpopedalkrämpfe bekommen, so muss er das mit seinen Endokrinologen besprechen.
Vielen Dank für Ihre Antwort. Wie würde sich bei diesen Werten jetzt die Einnahme von Osteotriol 0,25µg auswirken? Ist hier ein Medikationsversuch über 4 Wochen ungefährlich?
Ein letztes Mal, dann darf ich standesrechtlich nicht weiter „fernberaten“: Warum denn wollen Sie etwas bei normalen Werten einnehmen? („Normales kann nicht noch normaler werden“).
Ich möchte nichts einnehmen, deshalb frage ich so penetrant. Mein Nuklearmediziner vermutet einen latenten Hypopara und empfiehlt den Medikationsversuch. Wenn dies für mich nebenwirkungsfrei wäre, könnte ich mich darauf einlassen, aber die Folgen von zuviel Kalzium im Körper habe ich beim Hyperpara schmerzlich erfahren, daher würde ich das gerne vermeiden.