Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

Bitte beachten Sie den Haftungsausschluss für medizinische Themen.

Parathormon zur Therapie eines Hypoparathyreoidismus?


Bochum, 8. Mai 2013

Rekombinantes humanes Parathormon (PTH) s.c. verbesserte bei erwachsenen Patienten mit Hypoparathyreoidismus die Elektrolythomöostase und war einigermassen gut verträglich. Dies wurde am 2. Mai 2013 beim 22. Jahreskongress der American Association of Clinical Endocrinologists (AACE) in Phoenix, USA, vorgetragen (1,2). Eingangs wurde darauf hingewiesen, dass der Hypoparathyreoidismus die einzige endokrine Erkrankung sei, für die es keine anerkannte Hormonbehandlung gebe. Rekombinantes humanes Parathormon (1-84) sei zwar in Europa zugelassen, aber nur zur Osteoporosetherapie und nicht beim Hypoparathyreoidismus. In den USA ist es überhaupt nicht zugelassen.

Zur Zeit wird der Hypoparathyreoidismus mit Calcium und aktivem Vitamin D behandelt. Dies behebt nicht die zugrundeliegende Störung, sagte der vortragende Autor des 1. Teils der Studie, Prof. Bart L. Clarke von der Mayo Clinic, Rochester (1), welcher die Ergebnisse der REPLACE-Studie vostellte, einer randomisierten, placebokontrollierten Multicenter-Untersuchung an 134 Hypoparathyreoidismus-Patienten. Nach einer Adjustierungsphase mit Stabilisierung des Calciumspiegels wurde den Patienten täglich Parathormon oder Placebo s.c. injiziert. Parathormon wurde von täglich 50 über 75 bis 100 Mikrogramm auftitriert. Dann wurden in beiden Gruppen Calcium und Vitamin D so angepasst, dass der Calciumspiegel im Normbereich verblieb. Primärer Endpunkt war eine 50%-ige Reduktion von Calcium und Vitamin D nach 24 Wochen. Dies erreichten 53% der Verum- und 2,3% der Placebogruppe (p<0.001). Sekundärer Endpunkt war Unabhängigkeit von Vitamin D und ein gesunkener Calciumbedarf auf <500 mg/Tag, was 43 % bzw. 5% erreichten (p<0.001).

Prof. Dolores Shoback von der UCSF präsentierte die Sicherheitsdaten (2). Unerwünschte Nebenwirkungen wurden in der Verum- und Placebogruppe in 90 bzw. 96% registriert, schwere aber nur in 6 bzw. 5%. In der Verumgruppe erforderte eine Hypocalcämie, eine Krankenhausaufnahme. Unter den Nebenwirkungen, die in der Verumgruppe um 10% häufiger auftraten als unter Placebo, fanden sich Hypocalcämien (38% vs. 23%), Parästhesien (34% vs. 23%) und Hypercalcämien (21% vs. 18%). Nausea war in beiden Gruppen etwa gleich (21% vs. 18%).

Kommentar

Dr. R. Mack Harrell aus Florida wies auf die Komplexität der Dosierung von drei verschiedenen Pharmaka hin und meinte, dass dies zusammen mit den Nebenwirkungen eine klinische Anwendung von PTH (1-84) äusserst limitieren würde. Ein PTH-Einsatz würde wohl auf nur sehr schwer einstellbare Fälle beschränkt bleiben. Auch existierte eine Subpopulation, die auf humanes PTH besonders stark mit Nausea und anderen gastrointestinalen Nebenwirkungen reagieren würde. Der Kommentator hat in seiner Praxis erfreulicherweise in der Regel nur Patienten mit Hypoparathyreoidismus zu behandeln oder zu behandeln gehabt, die mit Calcium und Vitamin D gut einzustellen waren. Die wenigen Ausnahmen betrafen Patienten, die ihre Medikamente unregelmässig oder zeitweise auch gar nicht einnahmen. Diesen würde die Verschreibung von PTH zur täglichen s.c. Injektion auch nicht helfen können. Inwieweit Patienten mit Nierenproblemen wie etwa Nierensteinen davon profitieren könnten, sei dahingestellt.

Helmut Schatz

Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag (nach unten scrollen ! )

Literatur

(1) B.L.Clarke et al.: 22nd Annual Scientific and Clinical Congress of the American Association of Clinical Endocrinologists, May 2, 2013, Abstract 1035

(2) D. Shoback et al.: 22nd Annual Scientific and Clinical Congress of the American Association of Clinical Endocrinologists, May 2, 2013, Abstract 1036

Posted on by Prof. Helmut Schatz
This entry was posted in Allgemein and tagged , . Bookmark the permalink.

8 Responses to Parathormon zur Therapie eines Hypoparathyreoidismus?

  1. Anonymus says:

    ….diese Studie wurde geboren nicht aus der klinischen Notwendigkeit, sondern aus der dem Bedürfnis, einen neuen Markt für rekombinantes PTH zu finden. Was bringt dem Patienten eine Studie, die weiter Calcium und Vit. D und zusätzlich PTH s.c. bedarf und deren Nebenwirkung in der PTH Gruppe höher ist als in der Placebogruppe. Ich stimme dem Kommentator voll zu, auch in unserer Praxis werden 99% der Patienten mit Hypoparathyreoidismus gut mit 1,25(OH)D und Calcium eingestellt, 1% der Patienten hat Probleme mit der Einnahme oder mit sich selbst, da hilft auch kein PTH. Außerdem ist PTH bei der OPO nur für 2 Jahre zugelassen wegen der Entwicklung von Sarkomen bei der Ratte unter Langzeitbehandlung.

  2. Sehr geehrter Anonymus,

    Ihre Aussage beinhaltet die Behauptung, dass der postoperative Hypoparathyreoidismus in jedem Fall mit den derzeit üblichen Medikamenten gut therapierbar ist. Als Vorsitzende der Interessengemeinschaft Selbsthilfe Nebenschilddrüsenunterfunktion (www.insensu.de) teile ich diese Auffassung nicht.

    Die InSeNSU hat über 350 Mitglieder und mit noch mehr Betroffenen hatte ich bereits telefonisch oder über das Internet in den letzten Jahren Kontakt. Mein Fazit: Die Ergebnisse der derzeit üblichen Therapie sind (wenn der Patient überhaupt das Glück hat, in den Genuss einer solchen Therapie zu kommen) durchaus nicht immer zufriedenstellend. Es gibt nicht wenige Fälle, die mit dieser Therapie z.B. durch Langzeitschäden oder gravierenden Mangel an Lebensqualität (bis zur Frühverrentung!) erhebliche Probleme haben.

    Leider ist es auch keine Seltenheit, dass das Problem vorrangig beim Patienten gesehen wird, weil der Behandler z.B. die Probleme mit Tagesschwankungen im Calciumspiegel oder mit der Unverträglichkeit der Calciumpräparate nicht ernst genug nimmt. Weitere Probleme der Betroffenen durfte ich in einem Vortrag bei einer Tagung der CAEK schildern, der hier als Präsentation nachzulesen ist:
    http://www.insensu.de/Veroeffentlichungen/CAEK_Praesentation_Sieger_2010.pdf

    Ihre Aussage „1% der Patienten hat Probleme mit der Einnahme oder mit sich selbst, da hilft auch kein PTH“ finde ich vor diesem Hintergrund unangemessen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Frauke Sieger
    InSeNSU

  3. Jod68 says:

    Sehr geehrter Anonymus,

    die Aussage, dass ca. 1 % der Patienten bei Versagen der Therapie „Probleme“ mit sich selbst habe, wenn es denn kein Einnahmfehler ist, finde ich nicht tragbar.
    Ich wünsche diesem Anonymus, dass sich dieser niemals einer Schiddrüsen Total OP mit postoperativem Hypoparathyreoidismus stellen muss.
    Betroffene und Interessierte sehen diesen Aspekt der Therapieprobleme garantiert nicht in ihrer Person begründet.

    Mit freundlichen Grüßen

    Jod68 (Hypoparapatient ohne Probleme mit dem Ego)

  4. Charlotte says:

    Guten Tag Anonymus,

    ich habe selbst seit über 10 Jahren Hypoparathyreodismus. Ich werde mit dem von Ihnen genannten Calcitriol und mit Calcium behandelt.
    Immer wieder habe ich Probleme mit zu hohem Phosphor. Leider hatte ich in der ganzen Zeit auch zweimal eine Hypercalcämie, zum Teil mit Nierenproblemen.

    Liegt das etwa daran, dass ich zu den 1% gehöre, die Probleme mit sich selbst haben? Nein, das liegt leider daran, dass ich trotz regelmäßiger Einnahme und unveränderter Lebensweise und Ernährung trotzdem Probleme bekommen habe. Ich sage nicht, dass PTH die ultimative Lösung ist, aber es könnte ein guter Weg sein. Ich finde gut, dass in dem Bereich geforscht wird. Diejenigen, die vor Jahrzenten das A.T.10 erforscht haben, sind sicher zunächst auch auf Nebenwirkungen gestoßen.

    Ich finde Ihre Aussage, dass es bei den 1% der Patienten an Problemen mit sich selbst liegt zutiefst beleidigend. Hoffentlich behandeln Sie Ihre Patienten nicht so despektiertlich.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Charlotte

  5. alessi says:

    Sehr geehrter Anonymus,

    wie es aussieht, gehöre ich dann wohl auch mit zu dem 1% der Hypoparathyreoidismus-Patienten, die Probleme mit sich selbst haben? Ich bin seit 5 Jahren mit diesem „Problem“ behaftet (genau seit meiner SD-OP).

    Ich habe sowohl Hypocalcämie als auch Hypercalcämie kennengelernt, obwohl oder gerade weil ich die Medikamente so eingenommen habe, wie sie mir verordnet wurden. Durch die Hypercalcämie sind Nierenprobleme zurückgeblieben. Muskelkrämpfe, -schwäche und -schmerzen sind auch heute noch und trotz sehr guter Einstellung mit Calzium, Cacitriol und Schilddrüsenhormonen mein ständiger Begleiter.

    Sie schreiben, dass diese Studie nicht aus einer klinischen Notwendigkeit heraus durchgeführt wurde, sondern um einen neuen Markt für PTH zu erschließen. Für Sie mag es nicht notwendig sein, für uns Betroffene ist es einen sehr wichtiger Schritt, wenn es dazu Forschungen gibt.

    Es ist wahr, ein Hypoparathyreoidismus ist gut behandelbar. Die erste Schwierigkeit ist aber, eine richtige Behandlung zu bekommen. Wenn man das Glück hat, wie ich einen fachlich kompetenten Arzt an der Hand zu haben, sagt die Behandelbarkeit aber noch immer nichts über die Lebensqualität aus, die man damit erreichen kann.

    Ich finde es genau wie Charlotte gut und sehr wichtig, dass endlich auch in dieser Richtung geforscht wird. Auch wenn die Hypopara.-Patienten im Vergleich zu anderen Patientengruppen nur wenige sind, haben sie nicht auch ein Recht auf Forschungen für ein etwas lebenswerteres Leben?

    Viele Grüße
    alessi

  6. mado says:

    ich bekomme eine sehr gute Betreuung durch pfr Siggelkow trotzdem kann sie mir nicht die Probleme die durch ein Hypopara anfallen nicht nehmen,immer wieder kommen Probleme dazu z.b. im moment wird mein Ca aus dem Handel genommen also muss ich ! auf die Suche gehen ein gleiches Präparat zu finden,,, nicht einfach mit einem hohen Phosphat wert ich hatte nicht gleich das Glück eine kompetenten Arzt an meiner Seite zu haben …nach der Op hat kein Arzt mein Hypopara festgestellt ..ich bin in einer schwere Tetanie gelandet. Die meisten Hausärzte haben keine Ahnung von Hypopara .ich bin froh über die viele Kommentare von alessi etc.Auch ich nehme meine Medikation sehr ernst ,trotzdem ist keine Garantie das alles gut läüft
    ich wünsche keinem , ein Hypopara nach einer Op ,es verändert das Leben .gehöre jetzt wahrscheinlich tzu den 1% ,ich finde diese Aussage zynisch und menschenverachten -Zeitgeist ?

  7. francis says:

    ich bin genau der Meinung von jod 68 und auch von Frauke Sieger , es ist ein anderes ,schwieriges Leben mit einem Hypopara ,ich wünschte mehr Kenntnis und Verständniss von Seite der Ärzte und Mitmenschen.

  8. El says:

    >>1% der Patienten hat Probleme mit der Einnahme oder mit sich selbst, da hilft auch kein PTH.<<

    ich wünsche dem oben zitierten Kommentator nur 24 Stunden lang meinen postoperativen Hypoparathyreoidismus, damit er/sie am eigenen Leib spürt wie es ist, "ein Problem mit sich selbst zu haben"

Bitte kommentieren Sie diesen Beitrag!

- Kommentare sind auf 1000 Zeichen beschränkt. Bei Umgehen dieser Regelung durch mehrere aufeinanderfolgende Kommentare werden diese gelöscht.
- Wir schätzen eine wissenschaftlich-sachliche Diskussion.
- Bei erbetenen Fernberatungen hat der Leser zu entscheiden, inwieweit er seine persönlichen Daten öffentlich bekanntgeben möchte (Datenschutz!)

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 Verbleibende Zeichenanzahl

Mit dem Absenden des Formulars erklären Sie sich mit der Verarbeitung der übermittelten Daten einverstanden. Details hierzu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.