Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Prolaktinome: Internationales Statement zur Diagnose und Therapie


Hamburg, 16. September 2023:

Mit einem Anteil von 50% handelt es sich bei Prolaktinomen um den häufigsten Hypophysentumor. Die Prävalenz symptomatischer Prolaktinome beträgt etwa 25-63/100.000, die Inzidenz 2-8,2/100.000/Jahr. Vorwiegend sind Frauen betroffen (80-90%). Trotz der relativen Häufigkeit wird die Behandlung sehr uneinheitlich gehandhabt – die Betreuung erfolgt unter anderem bei Endokrinologen, Gynäkologen, Urologen, Neurochirurgen und Hausärzten. Dabei haben sich die diagnostischen und therapeutischen Behandlungspfade in den letzten Jahren stetig verfeinert, teils auch erheblich verändert. Umso wichtiger, dass unter maßgeblicher Beteiligung unseres DGE-Vorstandsmitglieds und -Mediensprechers, Stephan Petersenn, ein aktuelles Consensus-Statement der International Pituitary Society in „Nature Reviews Endocrinology“ (Impact Factor 2022: 41, erfreulicherweise frei herunterzuladen) publiziert wurde (1). In dem ausführlichen Manuskript und dem zugehörigen Supplement werden Epidemiologie, Pathogenese, Diagnostik und Therapie unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur diskutiert, insbesondere auf die Vor- und Nachteile der verbreiteten medikamentösen Therapie mit Dopaminagonisten eingegangen, und Besonderheiten bei speziellen Patientengruppen (in der Schwangerschaft, bei Kindern und Jugendlichen, in der Menopause, und speziell bei Männern) sowie bei speziellen Adenomtypen (unter anderem zystische, gemischte, aggressive Prolaktinome) besprochen. Von den 137 Empfehlungen sollen hier nur 3 Aspekte stellvertretend herausgegriffen werden, die besondere klinische Relevanz besitzen:

1. Immer wieder werden Patienten mit diskret erhöhten Prolaktin-Spiegeln vorgestellt, verunsichert durch die bereits benannte Diagnose eines Prolaktinoms, zudem auch schon im MRT untersucht. Hierzu wird in dem Consensus-Statement in einer schönen Abbildung der diagnostische Pfad dargestellt, der zunächst einmal den Ausschluß der vielen Differentialdiagnosen einer Hyperprolaktinämie vorsieht (unter anderem zu nennen der Stress der Blutentnahme, dann verschiedene Medikamente mit dopaminantagonistischer Wirkung), zudem aber auch Besonderheiten der Labordiagnostik (unter anderem die Makroprolaktinämie) berücksichtigt.

2. Viele Patienten mit stabilen Prolaktin-Spiegeln unter medikamentöser Therapie oder nach Operation werden dennoch teils jährlich erneut im MRT untersucht. Hier stellt das Consensus-Statement klar, dass ein Wachstum des Adenoms bei stabilen Prolaktin-Spiegeln eine Rarität ist und eine Bildbebung nach Nachweis des Therapieansprechens im Verlauf nur bei typischen Lokalsymptomen oder Anstieg der Prolaktin-Spiegel notwendig ist.

3. Die Verfügbarkeit der Dopaminagonisten hat zu einer Abkehr von der Chirurgie zu einer weit überwiegenden medikamentösen Therapie geführt. Mit über die Jahrzehnte zunehmender Erfahrung sind jedoch Nebenwirkungen deutlich geworden, die in ihrer klinischen Relevanz bei langjähriger Therapie bisher nicht abschließend geklärt sind (unter anderem Endokardfibrosen/Herzklappenveränderungen sowie seltene Zwangshandlungen). Hierzu werden in dem Consensus-Statement einerseits Kriterien für wiederkehrende Auslaßversuche der dopaminagonistischen Therapie genannt, zudem aber auch der Stellenwert der Operation besonders bei Mikroprolaktinomen betont. Bei den hohen Kontrollraten >80% bei Mikroprolaktinomen und erfahrenen Neurochirurgen sollten die Patienten auch über diese Therapieform aufgeklärt werden und informiert ihre Entscheidung treffen. Letztendlich ist unser Ziel eine Heilung unter Abwägung von Erfolg und Risiken, die Operation bei Mikroprolaktiomen mindestens einer langfristigen medikamentösen Therapie gleichwertig. Die Knosp-Klassifikation des Hypophysenadenoms erlaubt dabei eine noch differenziertere Beurteilung der operativen Erfolgsmöglichkeiten.

Zu Wohle unserer Patienten kann dieses Consensus-Statement aufgrund seiner vielfältigen und gut begründeten Empfehlungen nur allen mit der Betreuung von Prolaktinom-Patienten befassten Ärzte empfohlen werden.

Stephan Petersenn, Hamburg

Literatur

(1) Petersenn, S., Fleseriu, M., Casanueva, F.F. et al.: Diagnosis and management of prolactin-secreting pituitary adenomas: a Pituitary Society international Consensus Statement.
Nat Rev Endocrinol (2023). https://www.nature.com/articles/s41574-023-00886-5

Publiziert am von Prof. Stephan Petersenn
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2 Antworten auf Prolaktinome: Internationales Statement zur Diagnose und Therapie

  1. Martin Fassnacht sagt:

    Gratulation, Stephan. Zum einen für das sehr gute Consensus Statement, aber zum anderen auch, dass Du damit die deutsche Endokrinologie prominent vertrittst.

  2. Martin Merkel sagt:

    Von mir auch Gratulation!

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