Bochum, 4. Mai 2019:
Raymond S. Douglas, okuloplastischer Chirurg und Direktor des Thyroid Eye Disease Program am Cedars-Sinai Hospital in Los Angeles trug auf dem Jahreskongress 2019 der American Association of Clinical Endocrinologists in Los Angeles am 26. April 2019 in einer Late-Breaker Presentation die Phase III-Resultate mit Teprotumumab bei Endokriner Orbitopathie (EO) vor. Teprotumumab ist ein Antikörper gegen den IFG-1-Rezeptor von Horizon Pharma, ursprünglich entwickelt als Krebsmedikament. Die jetzt präsentieren Phase III-Ergebnisse entsprachen den positiven Befunden der Phase II, die im New England Journal of Medicine publiziert wurden (2) und worüber im DGE-Blog am 14. Mai 2017 berichtet wurde (3).
In beiden Studien – Phase II und III – wurden mit Teprotumumab Besserungen der Proptosis um mindestens 2 mm und des Clinical Activity Score (CAS) beobachtet. Dieser umfasst auf einer 7-Punkte-Skala Augenschmerzen, Lidschwellungen, Störungen der Vision u.a.. In die Studien wurden nur Patienten aufgenommen, deren EO nicht länger als 9 Monate nach den ersten Symptomen bestanden hatte und die mittelschwer bis schwer waren. Milde Formen wurden nicht untersucht. Auch durften sie vorher nur Glukokortikoide erhalten haben (in einer Gesamtdosis entsprechend maximal 1 Gramm Prednisolon, nach sechswöchigen wash-out-Periode).
In die vorgestellte Phase III-Studie wurden 83 EO-Patienten aufgenommen (1). Diese erhielten für 24 Wochen doppelblind randomisiert alle 3 Wochen Teprotumumab (n=40) oder Plazebo (n=39) infundiert. Mittleres Alter ~50 Jahre, etwa drei Viertel Frauen. Das primäre Outcome war eine Abnahme der Proptosis um mindestens 2 mm. Dies fand sich unter Verum bei 82.9% und unter Plazebo bei 9.5% (p<0.001%). Auch verbesserten sich die sekundären Outcomes ( CAS, Doppelbilder, Lebensqualität u.a.).
An Nebenwirkungen wurden mit Teprotumumab vs. Plazebo insgesamt registriert: Muskelkrämpfe (31.7% vs. 9.5%), Alopezie (19.5% vs. 11.9%), Hyperglykämie (4.9% vs. 0%), potenziell infusionsbedingte Reaktionen (14.6% vs. 9.5%) und Gehörminderung (9.8% vs. 0%). Schwere Nebenwirkungen: 4.9% vs. 2.4%. Es kam zu keinen Todesfällen. Weniger als 5% in beiden Gruppen schieden vorzeitig aus der Studie aus (1).
Kommentar
Der Endokrinologe und EO-Experte Marius N. Stan von der Mayo Clinic in Rochester betonte, dass man die Resultate mit Vorsicht betrachten müsse, da sie nur für eine sehr kleine Patienten-Population mit EO Gültigkeit hätten, nämlich nur für solch mit mittlerer bis schwerer EO und nicht mit milder. Diese waren nicht in die Studien eingeschlossen worden. Auch würden sich die Resultate nur auf eine aktive EO beziehen, die nicht länger als 9 Monate bestanden hatte. Solche Patienten eindeutig zu identifizieren sei nicht immer leicht. Auch durften sie nicht anders als mit Glukokortikoiden behandelt worden sein. Insgesamt seien dies nur etwa 5% aller EO-Patienten (4).
Dass man mit immunsuppressiver (zytostatischer) Behandlung bei der EO gute Erfolge erzielen kann, wurde bereits in der 1960-er Jahren vom Referenten (H.S.) an der Wiener Klinik mit Chlorambucil und Purinethol-Methotrexat gezeigt und am Europäischen Schilddrüsenkongress in Marseille 1968 vorgetragen (3). Ob bzw. wie lange diese bestehen blieben oder sich im weiteren Verlauf gar noch besserten, konnte er damals nicht untersuchen. Es ist zu hoffen, dass dies mit dem Antikörper Teprotumumab der Fall sein wird, auch länger als in der 72-Wochen-Extensionsstudie der Phase II: in dieser hatten die günstigen Resultate angehalten, d.h., es hatte sich kein Rebound gezeigt, wie man ihn oft beim Absetzen von immunsuppressiven Therapien sehen kann (5). Das Nebenwirkungsprofil ist sorgfältig zu prüfen, insbesondere die Langzeitsicherheit. Wie man von Horizon Pharma hört, soll Teprotumumab noch in diesem Jahr bei der FDA zur Approbation eingereicht werden.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Raymond S. Douglas et al.: Präsentation der Phase III-Resultate mit Teprotumumab bei Endokriner Orbitopathie am 26. April 2019 auf dem Annual Meeting der American Association of Clinical Endocrinologists (AACE) in Los Angeles.
(2) Terry J. Smith, George J. Kahaly et al.: Teprotumumab for thyroid-associated ophthalmopathy.
NEJM 2017. 376:1748-1761
(3) Helmut Schatz: Endokrine Orbitopathie bei Morbus Basedow: Besserung durch Teprotumumab, einen monoklonalen Antikörper zur Hemmung des Insulin-like Growth Factor-1 (IGF-1) – Rezeptors. DGE-Blogbeitrag vom 14. Mai 2017
(4) Marius N. Stan, Mayo Clinic Rochester, in: Miriam E. Tucker: OPTIC Confirms Teprotumumab in Thyroid Eye Disease.
https://www.medscape.com/viewarticle/9123134_print
(5) Helmut Schatz: Anhaltende Besserung einer Endokrinen Orbitopathie 1 Jahr nach Therapie-Ende mit dem IGF-1-Rezeptorantikörper Teprotumumab. DGE-Blogbeitrag vom 12. Oktober 2018
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Guten Tag!
Ich leide selber seit vergangenen Jahr an Morbus Basedow und an der Augenbeteiligung.
Gibt es eine Möglichkeit in Deutschland das Medikament auszuprobieren?
Bzw. können Sie mir einen Rat geben, an welche Uniklinik ich mich wenden kann? Meine SD wurde 02/19 entfernt, seitdem hat sich die Augenbeteiligung nur minimal verbessert.
Ich gehe davon aus, dass im akuten Stadium die bisher üblichen Methoden angewendet wurden wie Cortisonbehandlung oder ggf. Retrobulbärbestrahlung. Das neue Medikament wird in Mainz beri Prof. Kahaly in einer Studie erprobt, aber nur bei frischen Erkrankungen innerhalb der ersten 6 Monate, also kommt es bei Ihnen nicht in Betracht. Wenn die Augenveränderungen jetzt „stabil“ sind, das heißt, keine Aktivitätszeichen wie z.B.frischere Lidschwellungen etc. oder Zunahme des Exophthalmus mehr bestehen und die Schilddrüse ruhiggestellt (bei Ihnen ja entfernt) wurde, kann man heute opertiv die Augenstellung korrigieren. Beispiel ist der Sänger Heino, der nach der Augenoperation sein „Markenzeichen “ beibehalten hat und seine dunkle Brille nicht mehr undurchsichtig ist, sondern durchscheinend sodaß man seine Augen dahinter heute sehen kann.Solche Augenoperationen werden an vielen Stellen durchgeführt, so z.B: in Düsseldorf oder Köln, gewiß aber auch anderswo.
A. 21. Januar 2020 wurde Teprotumumab von der FDA unter dem Handelsnamen Tepezza zugelassen.³
Im New England Journal of Medicine vom 23. Januar 2020, Vol. 382(4):341-349 ist die Arbeit, die oben referiert wurde, jetzt publiziert, mit unserem DGE-Mitglied George Kahaly als einen der beiden Erstautoren.
Gibt es diese Studie noch in Mainz? Ich habe seit Mai diese Beschwerden.
Der habe ich keine Information. Fragen Sie Prof. George Kahaly in der Mainzer Universitätsmedizin, der die Studie (ge)leitet (hat?).