Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Keine Verhütung von Knochenbrüchen durch Vitamin D in der VITAL-Studie


Bochum, 1. August 2022:

Im New England Journal of Medicine  vom 28. Juli 2022 (1) wird die Knochenbruch-Auswertung der VITAL-Studie mit Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren bei > 25.000 Teilnehmern über im Mittel 5.3 Jahre berichtet; es wurden Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren und Placebo prospektiv in einer randomisierten, plazebokontrollierten  Studie (RCT) in der Allgemeinbevölkerung getestet. Über den fehlenden Nutzen auf Herz-Kreislauf-Ereignisse und Krebs (2) und über einen positiven Effekt von Vitamin D auf Autoimmunerkrankungen (3) wurde bereits im DGE-Blog berichtet. Jetzt liegt das Ergebnis für Knochenbrüche vor: Es ergab sich kein Gruppenunterschied: Unter Vitamin D (n=12.927 ) traten 769 inzidente Knochenbrüche auf, in der Plazebogruppe (n=12.944) waren es 782 (siehe Abbildung und Tabelle). Es bestand kein Einfluss von Alter, Geschlecht, Rasse oder Ethnie, Body Mass Index oder den Ausgangsspiegeln von Vitamin D. Unerwünschte Nebenwirkungen (Hyperkalziämien, Nierensteine) waren ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich.

Q U I C K  T A K E, zu Beginn der Publikation (1):  „Vitamin D and Fracture Risk among Adults“.
Abbildung und Tabelle:
Total Fractures und Confirmed Incident Fractures:

C O N C L U S I O N S (LIT.1):

„Vitamin D3 supplementation did not result in a significantly lower risk of fractures than placebo among generally healthy midlife and older adults who were not selected for vitamin D deficiency, low bone mass, or osteoporosis“. 

E D I T O R I A L  (4)  zu dieser Arbeit mit dem Titel: VITAL Findings – A Decisive Verdict on Vitamin D Supplementation („Ein entscheidendes Urteil über Vitamin D-Supplementierung“).

Die Autoren Steven R. Cummings und Clifford Rosen schreiben: „LeBoff and colleagues report findings from an ancillary study of the Vitamin D and Omega-3 Trial (VITAL), which extend the results of that trial; taken together, VITAL and this ancillary study show that vitamin supplements do not have important health benefits in the general population of older adults, even in those with low 25-hydroxyvitamin D levels….(They) report that, contrary to expectations, vitamin D3 did not reduce the risk of fractures over a median follow-up of 5.3 years, even in the 20% of the participants taking supplemental calcium at a dose of up to 1200 mg per day…..No subgroups defined according to baseline 25-hydroxyvitamin D level, even below 20 ng per milliliter, benefited from supplements.

Thus, there is no justification for measuring 25-hydroxyvitamin D in the general population or treating to a target serum level.  A 25-hydroxyvitamin D level might be a useful diagnostic test for some patients with conditions that may be due or that may cause severe deficiency. For example, persons living in residential settings with little or no sunlight exposure or malabsorption or those receiving treatments for osteoporosis that might cause hypocalcemia may benefit from vitamin D supplementation; the need for measuring serum 25-hydroxyvitamin D levels in these groups remains uncertain. Otherwise, the use of the terms vitamin D “insufficiency” and “deficiency” should now be reconsidered“.

Der Referent (H.S.) ist sich sicher,  dass die Schlußfolgerungen dieser Auswertung der VITAL-Studie manche Leser bezweifeln und kritisieren werden. Die Befürworter einer generellen Vitamin D- Prophylaxe („fortified food“) werden als Argumente wohl Dosis, Intervall und weitere Einflussfaktoren vorbringen.

Bitte zögern Sie nicht, Ihre Meinung im Kommentar kundzugeben, gerne auch mit Spitznamen.

Helmut Schatz, Bochum

Literatur

(1) Meryl S. Boff et al.: Supplemental Vitamin D and Incident Fractures in Midlife and Older Adults.
New Engl J Med, July 28, 2022. 387:299-309. DOI: 10.1056/NEJMoa2202106

(2) Helmut Schatz: Weder Vitamin D noch Omega-3-Fettsäuren schützen vor Herz-Kreislaufereignissen oder Krebs: die Ergebnisse der VITAL-Studie.
DGE-Blogbeitrag vom 11. November 2018

(3) Helmut Schatz: Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren vermindern das Risiko für Autoimmunerkrankungen in der VITAL-Studie.
DGE-Blogbeitrag vom 10. November 2021

(4) Steven R. Cummings, Clifford Rosen, EDITORIAL: VITAL Findings – A Decisive Verdict on Vitamin D Supplementation.
N Engl J Med, July 28, 2022; 387:368-370. DOI: 10.1056/NEJMe2205993

Publiziert am von Prof. Helmut Schatz
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3 Antworten auf Keine Verhütung von Knochenbrüchen durch Vitamin D in der VITAL-Studie

  1. Johannes W. Dietrich sagt:

    Die Ergebnisse dieser interessanten Studie zeigen mal wieder, dass eine Versorgung nach dem Gießkannenprinzip nichts bringt. Erfolgversprechend ist eine personalisierte Medizin, die sich nach einem wirklichen, individuell festgestellten Bedarf richtet.

  2. Zur Zeit, so empfinde ich, machen sich überall Ärztinnen und Ärzte in Studien zu einem Feldzug gegen Vitamin D auf. Das wundert mich. Es mag ja sein, dass die früher hohen Erwartungen an Schutz vor Knochenbrüchen verkehrt waren. Aber wäre das nicht Anlass zu Überlegungen, ob das Studiendesign zu ändern wäre? Könnte nicht sein, dass es falsch war. das Vitamin isoliert zu betrachten? Zu Anfang ist die Betrachtung einer Monotherapie natürlich unerlässlich, klar. Aber daher könnte man doch jetzt die Augen für Zusammenhänge, Zusatzbedingungen, Kombinationen und Ähnliches öffnen. Die Nephrologin Dr. H. Orfanos-Boeckel schreibt in ihrer „Nährstoff-Therapie“: „Genauso wie Vitamin C sich nicht weiter auf die Vermeidung von Skorbut begrenzen lassen sollte, ist auch Vitamin D eine viel größere Wirksubstanz.“ Sie führt im Weiteren aus, dass Vitamin D anders als die anderen Vitamine auf „Begleiter“ angewiesen ist, um richtig wirken zu können: Kalzium, Magnesium, Bor, K2 (S.135 f). Wie wäre…

  3. Helmut Schatz sagt:

    Sehr geehrter Herr Steffe,es macht sich kein Arzt zu einem „Feldzug gegen Vitamin D“ auf. Vielmehr kommen jetzt die Resultate der großen prospektiven randomisierten plazebokontrollierten Studien, die nicht den Erwartungen von vielen Menschen und auch nicht vielen Ärzten entsprechen. Wir leben im Zeitalter der Evidenzzbasierten Medizin.(EBM). Der DGE-Blog berichtet neutral über die Ergebnisse, die negativen (Herzkreislauf, Knochenbrüche), die grenzwertig negativen (Krebs) und die positiven (Autoimmunerkrankungen). Die Studien gelten für die Allgemeinbevölkerung, nicht für spezielle Gruppen oder bei Mangelzuständen. Bitte um sachliche Kommentare!

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