Bochum, 24. April 2023:
Am 31. März 2023 wurde im LANCET das Ergebnis der Analyse von Knochenbrüchen im D-Health Trial nach 5-jähriger Gabe von Vitamin D oder Plazebo an je 10.000 Menschen ab dem 60. Lebensjahr (mittleres Alter 69 Jahre, 45% Frauen) veröffentlicht: Es zeigte sich kein Unterschied (1).
Der DGE-Blogbeitrag vom 2. Februar 2022 (2) referierte das D-Health Trial in Australien an den insgesamt ~20.000 Personen mit monatlicher Gabe von 60.000 IE Vitamin D oder Plazebo. Es wurde kein Unterschied in der Gesamtsterblichkeit, der Krebs- und der kardiovaskulären Mortalität gefunden (3).
Jetzt liegt das Resultat der Daten über die Knochenbrüche vor (1): Auch für die Frakturverhinderung fand sich in 5 Jahren kein Nutzen von monatlich 60.000 IE Vitamin D gegenüber Plazebo. Unter Vitamin D traten bei 568 (5.6%) der Personen Frakturen auf, unter Plazebo bei 603 (5.9%). Es zeigte sich kein Effekt auf das Frakturrisiko (Hazard Ratio (HR) 0.94; 95% CI 0.84-1.06) und die Interaktion zwischen der Randomisierungsgruppe und der Zeit war nicht signifikant (p=0.14). Die HR für die Gesamtfrakturen sank jedoch mit zunehmender Beobachtungszeit. Die Gesamt-HRs für nichtvertebrale, größere osteoporotische und Hüft-Frakturen betrugen 0.96 (95% CI 0.85-1.08), 1.00 (0.85-1.18) bzw. 1.11 (0.86-1.45).
Die Schlussfolgerungen der Autoren lauten: „These findings do not support concerns that bolus doses of vitamin D administered monthly increase fracture risk. Long-term supplementation might reduce the incidence of total fractures, but additional research is needed to clarify this effect“.
Kommentar
Im Hinblick auf ein in dieser Arbeit nicht gesehenes gesteigertes Frakturrisiko durch monatlich hohes Vitamin D als Bolus weisen Gallagher und Rosen in einem begleitenden Artikel (4) auf die seit langem bekannten Risiken von Vitamin D, die Hyperkalziämie und Nierensteine hin. In den letzten Jahren seien neue, unerwartete Nebenwirkungen dazugekommen: Vermehrt Frakturen, Stürze und Hospitalisierung von Älteren. Sie betonen, dass insbesondere Studien bei Personen mit schwerem Vitamin D–Mangel (50-OH Vitamin D <10 ng/mL / 25 mmol/L) nötig seien. Ian R. Reid von der Universität in Auckland, Neuseeland, der auch einen Kommentar zu der hier referierten Arbeit schrieb, hatte sich bereits 2016 sich in diesem Zusammenhang geäussert: „…Generell sollten zukünftige Studien über Vitamin-D nur an Personen erfolgen, deren Spiegel ..…niedrig sei. Man soll wegkommen von einer generellen „Massen-Medikation“ ohne gesicherten Nutzen (5).
Helmut Schatz
Literatur
(1) Mary Waterhouse et al.: The effect of monthly vitamin D supplementation on fracture: a tertiary outcome from the population-based, double-blind, randomised, placebo-controlled D-Health trial.
Lancet Diabetes & Endocrinology 11(5): 324-332, May 2023. Published March 31, 2023
(2) Helmut Schatz: Vitamin D senkte im D-Health Trial weder die Gesamtsterblichkeit noch die Krebs- oder kardiovaskuläre Mortalität.
DGE-Blogbeitrag vom 2. Februar 2022
(3) Rachel E Neale et al.: The D-Health Trial: a randomised controlled trial on the effect of vitamin D on mortality.
LANCET Diabetes & Endocrinology, February 1, 2022; 10 (2):120-128, Supplementary appendix
(4) Christopher Galagher , Clifford J. Rosen: Vitamin D: 100 years of discoveries, yet controversy continues.
LANCET Diabetes & Endocrinology 11(5): 362-374. Published March 30, 2023
(5) Ian R. Reid: Towards a trial-based definition of vitamin D deficiency.
The Lancet Diabetes & Endocrinology, published online: 1 March 2016.
DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S22213-8587(16)00044-9
Eine Hochdosis-Vitamin D3-Gabe (ab 2.000 bis 6.000 IE/Tag) zur Prophylaxe oder Behandlung einer Osteopenie oder Osteoporose, ohne eine gleichzeitige Vitamin K2-Supplementierung, ist meines Erachtens heutzutage ein „No GO“.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36033779/
Diese Tatsache ist bereits seit 20 Jahren bekannt, wird aber nach wie vor von den meisten KollegInnen ignoriert.
Warum?