Bochum, 24. Mai 2018:
Nach den Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Endokrinologie (1) blieb bisher die Frage unbeantwortet, inwieweit die Computertomographie (CT) zur Dignitätsbeurteilung von zufällig entdeckten Nebennierenadenomen („Inzidentalomen“) geeignet ist. Marty et al. untersuchten daher retrospektiv 253 Nebennieren-Inzidentalome (AI´s) bei 233 konsekutiven Patienten der Universitätsklinik von Bordeaux (2). Sie kamen zu dem Schluss, dass durch sorgfältige Befundanalyse der quantitativen Computertomographie eine Fehleinschätzung der Dignität vermeidbar ist.
Die Autoren analysierten die Befunde von 183 Adenomen, 33 Phäochromozytomen, 23 Nebennierenrinden-Karzinomen, 5 anderen malignen und 9 weiteren benignen Tumoren. Als Referenz diente die Histopathologie bei 118 AI´s, die biochemische Diagnose eines Phäochromozytoms bei 2 AI´s, und die unveränderte Größe nach mindestens 1 Jahr der Nachbeobachtung bei 133 AI´s. Untersucht wurden die Sensitivität und Spezifität sowie positive und negative prädiktive Werte für verschiedene Schwellenwerte der Tumorgrösse, der unenhanced attenuation (UA, unverstärkten Dämpfung) im CT sowie das relative und absolute Wash-out des Kontrastmediums. 197 Scans wurden verblindet von zwei unabhängigen Radiologie-Experten beurteilt.
Ergebnisse: Ein 100% prädiktiver Wert für Benignität ergab sich aus der Kombination von Tumorgrösse und UA: </= 30 mm und </= 20 Houndsfield-Einheiten (HU), oder 40 mm und 15 HU; Wash-out: relativ >53%, absolut > 78%. Nicht-adenomatöse AI´s mit sehr schnellem Wash-out waren ausschliesslich gutartige Pseudozysten und Phäochromozytome. Daraus kann man folgern, dass die klassischen Schwellenwerte von 40% und 60% für das relative bzw. absolute Wash-out bei Patienten mit normalen Metanephrin-Werten sicher angewandt werden können. Die Übereinstimmung in der Beurteilung aller Parameter durch die beiden Experten war hervorragend (Korrelationskoeffizienten 0.96-0.99).
Die Autoren ziehen die Schlussfolgerung, dass durch diese sicheren Schwellenwerte eine falsche Diagnose eines benignen Prozesses vermieden werden kann.
Kommentar
In der Berthold-Lecture 2017 stellte Wiebke Arlt, Birmingham, die Technik der high-throughput Tandem-Massenspektrometrie im Urin zur hormonellen Diagnostik und Dignitätsbeurteilung von Nebennierentumoren vor (siehe DGE-Blogbeitrag Lit. 3). In diesem DGE-Blog beurteilen Stefanie Hahner und Martin Fassnacht die von Arlt vorgestellte Technik folgendermaßen „Auch wenn dieses Verfahren bisher eine reine Forschungsmethodik ist, gehen wir fest davon aus, dass es im Laufe der nächsten Jahre zunehmend klinisch angewendet werden kann und damit einen echten Fortschritt in der Diagnostik von Nebennierentumoren darstellen wird“. Bis dahin, und auch später wohl erscheint nach den Ergebnissen von Marty et al. (1) deren Methodik unter Einsatz der quantitativen Computertomographie zur Dignitätsbeurteilung von adrenalen Inzidentalomen sinnvoll zu sein.
Helmut Schatz
Literatur
(1) Fassnacht et al.: Management of adrenal incidentalomas: European Society of Endocrinology Clinical Practice Guideline in collaboration with the European Network for the Study of Adrenal Tumors.
Eur J Endocrinol. 2016 Aug;175(2):G1-G34
(2) M. Marty et al.: Diagnostic accuracy of computed tomography to identify adenomas among adrenal incidentalomas in an endocrinological population.
Eur J Endocrinol. 2018 May; 178(5): 439-446
(3) Stefanie Hahner und Martin Fassnacht: Der „Steroidogenetische Fingerabdruck“ der Nebenniere – wird die Diagnostik von Nebennierentumoren durch die high-throughput Tandem-Massenspektrometrie revolutioniert?
Berthold-Lecture 2017 von Frau Prof. Wiebke Arlt, Birmingham.
DGE-Blogbeitrag vom 21. März 2017
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