Medizinische Kurznachrichten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie
(Prof. Helmut Schatz, Bochum)

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Vitamin D und Sterblichkeit: Nicht-lineare Assoziation mit einer niedrigeren Gesamt-, Herzkreislauf- und Krebsmortalität in prospektiver Kohortenstudie


Bochum, 20. Juli 2020:

Vor zwei Wochen, am 4.7.2020  erschien im J. Clin. Endocrinol. Metab. online eine Studie von  Xikang Fan  et al. (1), welche 365.530 Personen, erfasst von 2006-2010,  aus der UK Biobank untersuchten, von denen 25(OH) D – Spiegelmessungen vorlagen und die zu Beginn der Beobachtung keine Vorgeschichte von Herzkreislauferkrankungen (CVD), Krebs oder Diabetes hatten. Die Arbeit der Autoren wurde u.a. von der National Natural Science Foundation of  China unterstützt.

Während einer medianen Beobachtungsperiode von 8.9 Jahren starben 10.175 Personen,  davon 18.1% an CVD (n=1841), 56.4% an Krebs (n=5737), und an anderen Ursachen 25.5% (n=2597). Teilnehmer mit einem Vitamin-D – Spiegel >/= 60 nmol/L (24 ng/ml) hatten ein niedrigeres Mortalitätsrisiko als Personen mit Werten <60 nmol/L für die Gesamtmortalität, CVD- Mortalität und für die Sterblichkeit aus anderen Ursachen. Der Grenzwert für ein niedrigeres Risiko der Krebsmortalität lag bei >/=45 nmol/L (18 ng/ml). Dieser Wert errechnete sich auch im Speziellen für den Lungenkrebs.

Die Autoren postulieren daher einen Schwellenwert von etwa 45-60 nmol/L (18-24 ng/ml), der potentiell für eine Vitamin-D – Intervention zur Risikosenkung der Gesamtmortalität von Bedeutung sein könnte. Sie betonen aber, dass eine umgekehrte Kausalität nicht ausgeschlossen werden kann und fordern daher eine Bestätigung ihrer Befunde in der prospektiven Kohortenstudie durch große randomisierte kontrollierte Studien.

Kommentar 

 Für eine Senkung der  CVD-Mortalität fand sich in der randomisierten plazebokontrollierten VITAL-Studie (2) kein Hinweis, allerdings lag die mittlere Serumkonzentration für 25(OH)-Vitamin D bei den meisten der Personen, für die Messwerte existierten, bereits vor Beginn der Studie auch ohne Supplementierung über dem von den Autoren erhobenen Schwellenwert für Mortalitätsunterschiede. Eine geringe Senkung der Gesamtmortalität um 3% und der Krebssterblichkeit um 12% wurde in früheren Studien gefunden und im DGE-Blog besprochen (3).

Der Referent wunderte sich über die Relation von Tod an CVD in 18.1 % und an Krebs in 56.4 % der Fälle. Die letzte Statistik des Statistischen Bundesamtes für Deutschland nennt für das Jahr 2018 folgende Zahlen: 345.300 Todesfälle an Herzkreislaufkrankheiten, 230.000 an Krebs und 71.700 an Atemwegserkrankungen (4), das sind etwa ein Drittel für Herzkreislauftod und ein Viertel für die Krebsmortalität. Dieser Unterschied zur in der UK Biobank gefundenen Sterblichkeit (18.1% an  CVD,  56.4% an Krebs) mag unter anderem daran liegen, dass die deutschen Zahlen für die Gesamtbevölkerung gelten, aus der UK Biobank hingegen nur die Todesfälle von Patienten ohne Selbstangabe von Vorerkrankungen bei der Basiserhebung erfasst wurden.

In etlichen der Kommentare zu den DGE-Blogbeiträgen über Effekte einer Vitamin-D-Gabe wurde auf eine zu geringe Dosis hingewiesen mit Forderungen auf zum Teil (viel) höhere Dosierungen. In  der vorliegenden Arbeit von Fan et al. wurden Vitamin-D – Spiegel (60 und 45 nmol/L = 24 und 18 ng/ml) als Schwellenwerte für mögliche Mortalitätsunterschiede errechnet. In den D.A.CH.-Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz) und auch nach dem I.O.M (Institue of Medicine, jetzt: US National Academy of Medicine) werden als Grenze des  („Normal“-) Referenzbereiches 50 nmol/L = 20 ng/ml angegeben, im Unterschied zu den höheren Zahlen der Endocrine Society und Michael Holick (5).

Die Diskussion um Vitamin D und nicht-skelettale Erkrankungen wird gewiß noch etliche Jahre weitergehen. Ob sie durch das Ergebnis der australischen D-Health-Study, das erst in einigen Jahren zu erwarten ist (siehe Lit. 5), in der einen oder anderen Richtung beendet sein wird, bleibt abzuwarten.

Helmut Schatz

Literatur

(1) Xikang Fan et al.: Vitamin D status and risk of all-cause and cause-specific mortality in a large cohort: results from the UK Biobank.
J. Clin. Endocrinol. Metab. published 04 July 2020
https://doi.org10.1210/clinem/dgaa432

(2) Helmut Schatz: Weder Vitamin D noch Omega 3-Fettsäuren schützen vor Herz-Kreislaufereignissen oder Krebs: die Ergebnisse der VITAL-Studie.
DGE-Blogbeitrag vom 11. November 2018

(3) Helmut Schatz: Vitamin D-Supplementierung und nicht-skelettale Erkrankungen: Systematische Übersicht der Metaanalysen und randomisierter Studien von 2013-2017.
DGE-Blogbeitrag vom 1. November 2017

(4) Statistisches Bundesamt: Todesursachen. https://www.destatis.de/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundhe…

(5) Helmut Schatz: Michael Holick, „The Man Who Sold America On Vitamin D – And Profited in the Process“.
DGE-Blogbeitrag vom 1. September 2018

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